taz.de -- Studie Energiekosten: Deutsche heizen sich arm
Noch nie war es so teuer, die Bude warm zu halten, noch nie ging so viel Geld für den Import fossiler Rohstoffe drauf. Dies sagt eine Studie im Auftrag der Grünen.
BERLIN taz | Kohle, Öl und Gas werden immer teurer. 2012 und 2013 waren nach einer [1][Studie der Hamburger Energy Comment] im Auftrag der Grünen Bundestagsfraktion die teuersten Heizjahre, seit derartige Statistiken erhoben werden. Wer mit Öl heizt, musste für eine 80-Quadratmeter-Wohnung im Schnitt 204 Euro nachzahlen. 2013 sieht es nicht besser aus. Nach einer [2][Berechnung des Deutschen Mieterbundes] kommen 2013 für Fernwärme, Öl und Erdgas im Schnitt nochmals neun Prozent dazu.
„De facto diskutieren wir nur über Strompreise, obwohl sie den niedrigsten Anteil an den Energiekosten haben“, sagt die neue Vorsitzende des Bau- und Umweltausschusses im Bundestag, die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn. Die Heizkosten seinen viel relevanter für Familien. „Mit dem Fokus auf die Strompreise wollen Teile von Politik und Wirtschaft den Ausbau der erneuerbaren Energien ausbremsen“, glaubt Höhn.
Mit dem Anstieg schlägt sich ein Trend durch, der seit einem Jahrzehnt ungebrochen ist: Der unaufhaltsame Kostenanstieg bei fossilen Rohstoffen. Verglichen mit den Preisen in der letzten Dekade des 20. Jahrhunderts stiegen die Kosten für Kohle, Öl und Gas in den Nullerjahren im Durchschnitt um ein Vielfaches an. Öl kostet heute mehr als fünf Mal so viel.
Diese Erkenntnis ist im Mainstream großer Konzerne angekommen: Eine gute Auswertung über die fossile Preisexplosion findet sich ausgerechnet auf der [3][Homepage des Ölkonzerns BP]. Dazu kommt die Internationale Energieagentur IEA. Sie ist als zwischenstaatliche Organisation die weltweit wichtigste Instanz für Prognosen über die Entwicklung der Energieversorgung.
Milliarden für Importe
Sie bestach in der Vergangenheit damit, die viel zu optimistischen Prognosen großer Energiekonzerne über die Vorräte fossiler Rohstoffe wiederzugeben. Doch selbst in den [4][Projektionen der IEA] steigt der Ölpreis im wahrscheinlichsten Szenario von heute 109 auf 145 Dollar pro Barrel im Jahr 2030 an, in Preisen von 2012 gerechnet.
Die Folgen für die deutsche Wirtschaft: Im Jahr 2012 gingen laut der Grünen-Studie 3,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes, 94 Milliarden Euro, für den Import von Kohle, Öl und Gas drauf, vor zehn Jahren waren es 1,6 Prozent. Ein Teil des Anstiegs ist durch das Auslaufen des Kohlebergbaus im Ruhrgebiet zu erklären.
Um der Preisspirale zu entkommen, schlagen die Grünen vor, die energetische Sanierung von Gebäuden schneller voran zu treiben. Zwei Milliarden Euro im Jahr sollen in einen Fonds fließen, den Kommunen dazu einsetzen können, auch Wohnungen von Mieter mit geringem Einkommenzu sanieren, ohne dass die Warmmiete steigt. Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag zusätzliche Mittel für die Sanierung kurz vor Ende der Verhandlungen wieder gestrichen.
Wie langfristig eine Alternative aussehen könnte, hat das Fraunhofer ISE [5][kürzlich durchgerechnet]. Strom aus neuen Windkraftanlagen war bereits im Jahr 2013 an guten Standorten teilweise günstig zu haben als aus neuen Braunkohle-Kraftwerken. Große, heimische Solaranlagen auf Freiflächen können im günstigsten Fall heute bereits mit der Steinkohle konkurrieren – Stromspeicher allerdings nicht mitgerechnet.
Wie könnte der Umbau des Energiesystems insgesamt aussehen? Heizung, Autos, Strom, Speicher, alles mit erneuerbaren Quellen? Auch das [6][hat das ISE simuliert], mit der Maßgabe, dass Deutschland bis zum Jahr 2050 wie geplant 80 Prozent weniger Treihausgase ausstößt.
In dem Szenario gibt es zwar immer noch einen geringen Anteil an fossilen Kraftwerken. Allerdings würde das System, einmal errichtet, nicht mehr kosten als das heutig. Das alte beizubehalten wäre allerdings deutlich teurer – weil Kohle, Öl und Gas angesichts des Energiehungers der Welt immer teurer werden.
27 Dec 2013
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der niedrige Benzinpreis freut die deutschen Autofahrer, gefährdet aber ganze Länder. Sinkt er weiterhin, könnte er die nächste Finanzkrise auslösen.
Die Kosten für Energie steigen seit Jahren schneller als die Löhne. Etwa jeder sechste Haushalt in Deutschland ist deshalb von sogenannter Energiearmut betroffen.
Die bayerische Wirtschaftsministerin will den steigenden Strompreis deckeln. Doch ihr Vorschlag könnte gegen die Regeln zur Neuverschuldung verstoßen.
Smart Meter in Privathaushalten lohnen sich nicht. Sie kosten mehr als sie sparen. Das besagt eine Studie im Auftrag des Wirtschaftsministeriums.
Beim Volksentscheid geht es nicht nur um die Stromversorgung, sondern auch um Wärme. Und die ist sogar viel wichtiger, sagt BUND-Geschäftsführer Andreas Jarfe.
Wer die Staubsaugervorschrift der EU ablehnt, muss eine Alternativlösung anbieten. Rein finanzielle Impulse reichen zum Energiesparen nicht aus.
Der Staat muss die Energiekosten der armen Haushalte übernehmen, fordert Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband.
Die energetische Gebäudesanierung birgt sozialen Sprengstoff, warnt die TU Darmstadt. Energieexperten widersprechen.