taz.de -- Chodorkowski verlässt Berlin: Kreml-Kritiker in die Schweiz gereist

Michail Chodorkowski ist am Sonntag in Basel angekommen. Die Schweiz hatte ihm ein Visum ausgestellt. Dort liegt auch ein Teil seines Vermögens.
Bild: Da ist Chodorkowski noch in Berlin.

BERLIN afp | Der freigelassene Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski ist nicht mehr in Berlin. Er sei „in der Schweiz, wo seine Kinder zur Schule gehen“, sagte eine Sprecherin des früheren Ölmagnaten am Sonntagabend. Angaben über den genauen Aufenthaltsort machte sie nicht. Die Schweiz hatte Chodorkowski Ende Dezember ein Visum für den Schengen-Raum ausgestellt, das für drei Monate gilt.

Der 50-jährige ehemalige Ölmagnat sei am Sonntag mit der Bahn zusammen mit seiner Frau in die Schweiz gefahren, sagte die Sprecherin. Dem Schweizer Fernsehen SRF zufolge, das Chodorkowski während der Reise begleitete, traf der frühere Kreml-Kritiker um 18.54 Uhr in Basel ein.

In einem Interview sagte er dem SRF: „Man kann doch nicht ruhig leben, wenn man weiß, dass in Gefängnissen politische Gefangene schmoren.“ Bereits in seiner ersten Pressekonferenz nach seiner Freilassung hatte Chodorkowski in Berlin angekündigt, sich künftig für politische Gefangene in seinem Land einsetzen zu wollen. Einen Einstieg in die Politik hatte er gleichwohl ausgeschlossen.

Chodorkowski war am 20. Dezember nach jahrelanger Haft von Russlands Staatschef Wladimir Putin begnadigt worden und nach Berlin ausgereist. Wenige Tage später beantragte er bei der Schweizer Botschaft ein Schengen-Visum. Die Visums-Inhaber können sich in den 26 Staaten des Schengen-Abkommens bis zu 90 Tage pro Halbjahr aufhalten.

Chodorkowskis Frau Inna und die Zwillingssöhne Gleb und Ilja leben nach Medienangaben bei Montreux, die gemeinsame Tochter Anastasia lebt in Moskau. In der Zeit der Inhaftierung hatte Chodorkowski einmal gesagt, seine Familie sei sein „größter Schatz“, dies hätten die vielen Jahre der Haft, die große Distanz und der „Stacheldraht“ nicht verhindern können.

Schweizer Medien zufolge hat Chodorkowski, der als Ölunternehmer zum reichsten Mann Russlands aufgestiegen war, auch einen Teil seines Vermögens auf Schweizer Konten. In der Sonntagszeitung war Ende Dezember von „mindestens 200 Millionen Schweizer Franken“ (rund 163 Millionen Euro) die Rede.

Der frühere Chef des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns Yukos war 2003 festgenommen und zwei Jahre später wegen Betrugs und Steuerhinterziehung verurteilt worden. Ihm drohten in Russland noch weitere Verfahren, so dass ein Ende seiner Haft nicht absehbar war. Die Gerichtsverfahren gegen ihn waren vom Westen als politisch motiviert kritisiert worden. Noch immer sind ehemalige Geschäftspartner Chodorkowskis in Russland inhaftiert. Russlands Oberstes Gericht will nun jedoch die Prozesse überprüfen, die zur Verurteilung Chodorkowskis geführt hatten.

6 Jan 2014

TAGS

Michail Chodorkowski
Kreml-Kritiker
Berlin
Basel
Schengen-Raum
Michail Chodorkowski
Michail Chodorkowski
Russland
Michail Chodorkowski
Michail Chodorkowski
Michail Chodorkowski
Wladimir Putin
Michail Chodorkowski

ARTIKEL ZUM THEMA

Putin-Kritiker Chodorkowski: Mit leiser Stimme

Michail Chodorkowski stellt seine politische Initiative in Berlin vor: Der Westen müsse den Russen seine Werte erklären. In die Politik möchte er nicht.

Kolumne Leuchten der Menschheit: Chodorkowski als Humanist

Selbstironisch, höflich und abgeklärt: Der einst wichtigste Unternehmer Russlands stellte nach zehn Jahren Gefangenschaft sein Buch vor.

Chodorkowski-Partner frei: Zehn Jahre Lager sind genug

Der Ex-Yukos-Manager Platon Lebedew kann sein Straflager als freier Mann verlassen. Wie Michail Chodorkowski musste er eine zehnjährige Strafe verbüßen.

Chodorkowskis PR-Agentur: Werbung für einen Häftling

Wer seinen Namen nicht in den Medien hält, wird leicht im Knast vergessen. Chodorkowskis Freilassung ist deshalb auch seinen PR-Agenturen zu verdanken.

Gericht prüft Chodorkowski-Urteile: Neue Hoffnung für den Oligarchen

Das Oberste Gericht Russlands lässt die Urteile gegen den Ölmilliardär Chodorkowski überprüfen. Unklar ist noch, was der Anlass für die Prüfung ist.

Kommentar Michail Chodorkowski: Menschenrechte sind nicht teilbar

Wer Chodorkowski sagt, muss auch Snowden sagen: Es gibt keinen juristischen Grund, dem früheren NSA-Mitarbeiter die Aufnahme zu verweigern.

Michail Chodorkowski in Berlin: Ziellos in Berlin

Der Kremlkritiker sagt beim ersten Auftritt in Freiheit, er wolle weder Politik noch Geschäfte machen. Aber er will sich für politische Gefangene einsetzen.

Putin-Gegner Michail Chodorkowski: Vom Straflager direkt nach Berlin

Angela Merkel hatte sich mehrfach für Chodorkowski stark gemacht. Kaum wurde der von Präsident Putin begnadigt, flog er im Privatjet nach Deutschland aus.