taz.de -- Homophobie im Fußball: „Nicht wirklich willkommen“

Schwule Fußballamateure fühlen sich oft unwohl im heterodominierten Klubumfeld. Und so gründen sie ihre eigenen Vereine.
Bild: Auch im Amateurfußball haben Schwule und Lesben zu kämpfen

BERLIN taz | Dass es schwule Fußballer gibt und das sogar bis hinauf in die höchsten Etagen des Profifußballs, dürfte spätestens [1][seit dem Coming-out von Thomas Hitzlsperger] in dieser Woche endgültig von keinem mehr zu leugnen sein. Doch während gefühlt alle Welt auf den ersten schwulen Profi gewartet hat, ist der schwule Amateur schon lange Realität.

Einer der ersten Fußballer, die in Deutschland ihre Homosexualität öffentlich thematisierten und damit ganz bewusst das Schweigen brechen wollten, war der heute 28-jährige Tony Quindt vom Kreisligisten SIG Elmenhorst in Schleswig-Holstein.

2008 brachte er seinen damaligen Freund mit zu einer Mannschaftsfeier und stellte ihn als seine „Freundin“ vor. Wenige Tage später stand der NDR vor der Tür, andere Medien folgten und aus dem jungen Kicker eines Dorfvereins wurde ein Vorbild.

Das Coming-out Hitzlspergers könne eine positive Signalwirkung vor allem für junge schwule Fußballer haben, hofft Alexander von Beyme, Sprecher des [2][schwul-lesbischen Sportvereins Startschuss] aus Hamburg. „Die offene Diskriminierung ist in den vergangenen Jahren zwar merklich zurückgegangen, aber es gibt noch immer oft eine Atmosphäre, in der schwule Männer sich nicht wirklich willkommen fühlen“, sagt er.

Oft fehle schlicht das Bewusstsein dafür, dass der jeweilige Mitspieler ja auch schwul sein könnte. Heterosexualität ist eben noch immer die Norm; nur wer anders ist, muss sich erklären.

Nur ein Team im DFB-Spielbetrieb

Auch das Fußballteam von Startschuss ist ursprünglich als eine Art Rückzugsraum entstanden. Heute wäre es zwar möglich, am Ligabetrieb teilzunehmen, erzählt von Beyme, und der Hamburger Fußballverband habe den Klub sogar explizit dazu eingeladen, man wollte jedoch nicht den Charakter eines Freizeitteams verlieren. Ohnehin spielen etliche Spieler von Startschuss noch parallel bei einem anderen Verein, der am Ligabetrieb teilnimmt – unter ihnen ist seit 2006 auch Tony Quindt.

Die Kicker von Startschuss messen sich wie die meisten anderen schwulen Fußballteams vor allem im Rahmen der großen schwul-lesbischen Sportereignisse wie der Gay Games. Eine kleine Zahl der Teams nimmt jedoch auch am regelmäßigen Spielbetrieb teil.

Das Cream-Team-Cologne des SC Janus etwa spielt in der Bunten Liga Köln und ein Team des schwul-lesbischen Vereins Vorspiel läuft in der TU-Liga in Berlin auf. Bei beiden handelt es sich jedoch um sogenannte wilde Ligen, um Ligen, die nicht dem DFB angehören. Am geregelten Spielbetrieb des DFB nimmt bislang nur ein einziges schwules Team teil und das ausgerechnet im konservativen Bayern.

Bereits seit 2001 spielen die Street Boys von Team München in den Ligen des Bayerischen Fußballverbandes. Aktuell läuft das Team im Kreis München in der C-Klasse auf und ist dort zur Winterpause Tabellensiebter. „Sicherlich gibt es hin und wieder homophobe Äußerungen“, sagte Rainer Schweyer von den Streetboys [3][gegenüber dem österreichischen Fußballmagazin Ballesterer.] Das ist wenig überraschend.

Die bekommen schließlich auch nichtschwule Spieler regelmäßig zu hören, weil sie für viele Männer offenbar noch immer zum Grundwortschatz gehören. Solange das so ist und solange Homo- nicht selbstverständlich gleichberechtigt und gleichwertig neben Heterosexualität steht, wird jedes Coming-out eines Fußballers – und sei er noch so prominent – nicht mehr sein als ein positives, aber in seiner Reichweite doch sehr begrenztes Zeichen. Homophobie ist eben kein Problem des Fußballs allein.

12 Jan 2014

LINKS

[1] /Persoenliches-Statement-von-Hitzlsperger/!130667/
[2] http://www.startschuss-hamburg.de/
[3] http://ballesterer.at/aktuell/wir-lassen-uns-nicht-provozieren.html

AUTOREN

Tölva

TAGS

Schwul
lesbisch
Vereine
Thomas Hitzlsperger
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Fußball
Homosexualität im Profisport
Thomas Hitzlsperger
Homophobie
Thomas Hitzlsperger
Homophobie
Thomas Hitzlsperger
Homosexualität
Homophobie
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Schule
Fußball
Deutscher Fußballbund (DFB)

ARTIKEL ZUM THEMA

Theaterprojekt gegen Homophobie: Nicht in unserer Kabine

Das Göttinger Theaterprojekt "Steh deinen Mann" stößt bei niedersächsischen Fußballvereinen auf Ablehnung, weil es sich mit Schwulenfeindlichkeit im Sport auseinandersetzt.

Carolin Emcke über Homophobie: „Wieso bin ich nicht heterosexuell?“

Eltern sollten sich für ihre Kinder nur wünschen, dass sie glücklich werden, sagt die Journalistin Carolin Emcke. Ein Gespräch über sexuelle Identität und Menschenrechte.

Diskriminierung im Frauenfußball: Schwule Mädchen

Homophobie ist im Frauenfußball kein Problem, dafür aber Sexismus. Die Spielerinnen sind noch immer Eindringlinge in eine Männerdomäne.

Anleitung Reden über schwule Fußballer: Der Yeti auf dem Platz

Nun wissen wir nicht nur, sondern können auch beweisen: Es gibt schwule Profi-Fußballer. Aber wie reden wir am besten über sie? Das taz-Abc hilft.

Der sonntaz-Streit: Schule ohne Kirche?

Baden-Württemberg möchte die Akzeptanz sexueller Vielfalt in Schulen stärken. Die Kirchen nicht. Aber sollen Kirchen überhaupt Schule machen?

Thomas Hitzlspergers Medienstrategie: Alles unter Kontrolle

Hitzlsperger hat sein Coming-out generalstabsmäßig durchgeplant. Das zeigt: Sportler und Klubs sind Berichterstatter in eigener Sache.

Reaktion auf Hitzlsperger-Kritik: Wut, Trotz und Solidarität

Ein Sprecher von Antenne Bayern ist genervt von der Kritik an Hitzlspergers spätem Coming-Out – und outet sich mitten in den Radio-News.

Fußball und Homophobie: Die Furcht vor dem Fan

Funktionäre finden das Coming-out von Thomas Hitzlsperger toll. Doch was geschähe, wenn ein aktiver Profi sich als schwul outen würde?

Homosexualität im Schulunterricht: „Gegen das christliche Menschenbild“

In Baden-Württemberg fordert die rot-grüne Koalition eine Beschäftigung mit dem Thema Homosexualität an Schulen. Die Kirchen sehen darin keine Dringlichkeit.

Kommentar Homophobie an Schulen: „Schwule sterben früher“

Die Petition eines Lehrers aus Baden-Württemberg geht gegen Akzeptanz sexueller Vielfalt vor. Und findet viel Zustimmung.

Hans Sarpei auf Tele5: Die Entzauberung des Super-Hans

Um den Ex-Fußballer Hans Sarpei gibt es einen seltsamen Dauerhype im Internet. Nun bekommt er seine eigene Fernsehsendung – keine gute Idee.

Antrittsrede des wahren DFB-Präsidenten: „Holen wir die WM 2022 zu uns!“

Wolfgang Niersbach bleibt DFB-Präsident. Das wollte Andreas Rüttenauer auch mal werden. Wir dokumentieren, welche Antrittsrede er gehalten hätte.