taz.de -- Kommentar Prokon: Die Gier der Guten
Was den Anlegern bei Prokon nun geschieht, ist ein Absturz mit Ansage. Alles Verlangen nach staatlicher Aufsicht läuft leer, wenn das Hirn ausgeschaltet bleibt.
Stellen Sie sich vor, ein fein gekleideter Herr spricht Sie in der U-Bahn an und möchte sich Geld von Ihnen leihen. Er sagt, er will mit dem Geld irgendwie in erneuerbare Energien investieren.
Mitentscheiden dürfen Sie zwar nicht; sollte das Geschäft aber gut laufen, verspricht er Ihnen eine fürstliche Entlohnung. Sollte etwas schief gehen, könnte Ihr Geld allerdings futsch sein.
Würden Sie das Portemonnaie aufmachen?
Der Vergleich beschreibt im Kern das Geschäftsmodell des Windpark-Finanzierers Prokon.
Mehr als 75.000 Prokon-Anleger haben der Vision vom leichten Geld mit einer guten Sache vertraut: Ökologisch investieren, in Sachwerte, ohne Banken. Das klingt gut.
Doch in der Realität entwickelte sich Prokon zu einem suspekten Geld-Verschiebebahnhof mit "Traumrenditen", die eben Träume blieben. Da hilft es auch nicht, wenn sich einige den Konzern nun als eine Art Bürgerinitiative auf Mission zur Weltverbesserung schönreden.
Warnung vor vier Jahren
Riskante Unternehmensanleihen eines intransparenten und gewinnmaximierenden Unternehmens taugen nicht, um als Kleinanleger an der Energiewende teilzuhaben. Und die Warnungen vor Prokon waren da.
Die taz hat als erste Zeitung bereits vor vier Jahren detailliert auf die eklatanten Risiken der Prokon-„Genussrechte“ hingewiesen. Schon damals führten wir den Nachweis, dass Prokon mit frisch eingeworbenen Geld seiner Anleger Tochterfirmen vor der Pleite rettete. Doch Tausende Anleger glaubten lieber den schönen Erzählungen des Firmengründers Carsten Rodbertus.
Mit dem Einschreiten des Insolvenzverwalters muss nun auch der schillernde Prokon-Chef offenbaren, worüber bislang nur spekuliert werden konnte: Was ist mit den 1,4 Milliarden Euro der Anleger tatsächlich geschehen?
Wieviel Geld wurde verbrannt, wieviel produktiv investiert? Welchen Anteil der jährlich acht Prozent ausgeschütteten Zinsen hat Prokon tatsächlich verdient, welchen aus den Einlagen seiner Kunden bezahlt? Kann Prokon überleben?
Risiken ausgeblendet
Vor vier Jahren war die Warnung vor Prokons Genussrechten noch mit der Forderung verbunden, den weitgehend unkontrollierten Markt für dubiose Anlageprodukte stärker zu regulieren. Geschehen ist bei der Aufsicht seitdem fast nichts.
Doch selbst die beste Regulierung hilft nicht, wenn Anleger wie im Fall Prokon offensichtliche Risiken systematisch ausblenden. Die nächsten Monate werden zeigen, wie hoch ihr Lehrgeld sein wird. Zu wünschen ist, dass bei der nächsten Märchenstunde eines Portemonnaie-Öffners mehr Leute rechtzeitig ihr Hirn einschalten.
23 Jan 2014
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