taz.de -- Kolumne Nullen und Einsen: Ferkelmonat Januar

Prozesse, Mitteilungen und Infos über die Sexvorlieben von Finnen und Kasachen: Der knallharte Kampf der Pornoseiten um Aufmerksamkeit.
Bild: Mein lieber Scholli: Januarutensilien.

„Alter Falter, das glaubt auch keiner der es nicht gesehen hat....“ Alter Falter, Spambetreffs werden auch immer bescheuerter. In der Mail dazu geht das so weiter, „das haut einem das Blech weg“. „Mein lieber Scholli“, „da geht einem die Kinnlade runter!“ Wie bitte soll man bei so einem Zum-Bleistift-Vokabular noch von einem seriösen Angebot ausgehen, wie soll man ernsthaft glauben, dass man hier in 39 Minuten eine Technik lernen kann, mit der man in sieben Tagen 4.575 Euro verdient?

Aber man soll sich nicht über Spam beschweren, immer noch besser, als gar keine Mails zu bekommen, wie von meiner Hausverwaltung, die diesen Service leider nicht anbietet. Ich darf aber ein Fax schicken oder dienstags (10–13 Uhr) beziehungsweise donnerstags (14–17 Uhr) anrufen und kann mir außerdem sicher sein, dass die US-Geheimdienste wirklich überhaupt nichts über die Wasserflecken an der Decke wissen.

Seltsam sind auch Mails von Anbietern, die man eher im Schattensegment des Internets verortet, die einem aber ganz hochoffizielle Pressemitteilungen schicken. Vor zwei Wochen kam Post von RedTube, der Pornofilmseite, die nicht klingen will wie eine Pornofilmseite. Sie begrüßte ihren zweimilliardsten deutschen Nutzer und stellte klar: „For close to eight years, viewers have trusted RedTube to deliver a quality adult entertainment experience across a streaming platform.“ Bei RedTube werden Qualität und Vertrauen eben noch großgeschrieben!

Außerdem wurde das Statement der Bundesregierung begrüßt, dass Streaming keine Urheberrechtsverletzung sei, als Reaktion auf [1][das laufende Abmahnverfahren gegen RedTube-Nutzer], das, wie [2][mspro] zurecht sagte, in Wirklichkeit ja die optimale PR-Kampagne ist. Die meisten Leute kannten vorher ja gar nichts anderes als YouPorn!

Die Konkurrenz muss sich da eigene PR-Tricks einfallen lassen. Der britische Anbieter Pornhub hat deshalb neulich [3][//:zum wiederholten Male] seine [4][Nutzerstatistiken veröffentlicht]. 8:56 Minuten verbringt der Durchschnittsuser auf der Seite, Briten brauchen rund eine Dreiviertelminute länger, Amerikaner sind sogar 11 Minuten dabei.

Bei den beliebtesten Suchbegriffen, nach Ländern sortiert, ist fast immer das eigene Land on top, also „German“, „British“, „Italian“, „Japanese“. Dieser Trend zeigt sich übrigens auch in dem [5][noch umfangreicheren Datenmaterial] der Metaseite PornMD, Ausnahmen bilden so abseitige Länder wie Irland (Topbegriff: „Gangbang“) und Kasachstan („Lesbian Prison“) oder die besonders kreativen Iraner („Pussy“) und Finnen („Sex“).

Von Pornhub lernen wir ferner, dass der beliebteste Onlinepornogucktag in fast allen Ländern – außer Japan – der Montag ist. Und ähnlich beliebt ist auch der Januar, nur Mexiko (März) und wieder Japan (November) scheren hier aus. Klar: Über Weihnachten zerbrechen gerne mal Beziehungen, und überhaupt, bei all den guten Vorsätzen, weniger essen, weniger Alkohol, weniger Spaß, hat man ja auch nix Besseres zu tun als zu Hause zu bleiben und sich einen runterzuholen. Zum Glück ist dieser Ferkelmonat nun endlich vorbei!

30 Jan 2014

LINKS

[1] /Kommentar-Redtube-Urteil/!131852/
[2] http://twitter.com/mspro
[3] http://onlinetaz.hal.taz.de/http
[4] http://www.theguardian.com/news/datablog/2014/jan/07/pornhub-porn-trends-search-terms-time
[5] http://www.pornmd.com/sex-search

AUTOREN

Michael Brake

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