taz.de -- Wirtschaftslage in der Ukraine: 85 Euro Rente, drei Tage zu spät

In dem von politischen Unruhen geschüttelten Land ist die ökonomische Basis sehr fragil. Die Landeswährung ist unter Druck, der Kurs wackelig.
Bild: Polizeikette vor einer Barrikade in Kiew – auch die politischen Turbulenzen beeinflussen die Wirtschaft des Landes.

LEMBERG taz | Der Tag, an dem die Rente kommt, ist immer wichtig für Maria. Sie lebt in einem Dorf in der Nähe von Lemberg, die Kinder sind längst weg – der Sohn im Ausland, die Tochter in der Stadt. Dabei ist die Rente eher ein Almosen. Gerade 980 Hrywnja, umgerechnet rund 85 Euro, bekommt sie jeden Monat.

Davon kann sie nicht leben, auch nicht, wenn man die Rente von ihrem Mann Petro dazunimmt, der 10 Euro mehr bekommt. Die Rettung ist eine kleine Subsistenzwirtschaft; die beiden bauen Gemüse an, eine Kuh steht im Stall, ein paar Hühner laufen über den Hof.

An diesem Tag wartet Maria vergeblich. Der ukrainische Staat hat kein Geld, die Wirtschaftskrise das Land fest im Griff, es kommt zu Engpässen bei der Auszahlung von Renten und Gehältern. Erst drei Tage später ist der Briefträger mit der Rente da, es hat noch einmal geklappt. Wie es im nächsten Monat aussehen wird, weiß niemand.

Die Wirtschaftsleistung der Ukraine ist 2013 laut Schätzung der Weltbank um 1,1 Prozent zurückgegangen. Schon 2012 war die Situation nicht gerade berauschend – auf Jahresbasis stagnierte die Wirtschaft, ab der zweiten Jahreshälfte ging es dann konsequent bergab. International steht das Land mittlerweile auf der Liste der potenziellen Insolventen.

Politische Turbulenzen, fehlende Kredite

Die Ursachen dafür sind die politischen Turbulenzen und die Probleme des Staates, ausländische Kredite zu bekommen. Mittlerweile gehen Beobachter nicht mehr davon aus, dass Russland Kiew die versprochenen 15 Milliarden US-Dollar zur Verfügung stellen wird. Bisher ist nur eine erste Tranche von 3 Milliarden geflossen. Mehr Geld verspricht der Kreml nur, wenn Kiew seine Schulden für geliefertes Gas beglichen hat.

In dieser Situation wird die Bedienung der Auslandsschulden zu einem echten Problem. Allein an den Internationalen Währungsfonds muss die Ukraine im laufenden Jahr 3,7 Milliarden US-Dollar zurückzahlen. Und die Zusammenarbeit liegt auf Eis. Ende letzter Woche hat der IWF verkündet, dass die Regierung in Kiew an der Zusammenarbeit nicht interessiert sei. Früher waren die Forderungen des Fonds, die stark subventionierten Gaspreise für die Bevölkerung zu erhöhen sowie die Staatsausgaben zu kürzen, zum Stolperstein bei den Verhandlungen geworden.

Ungewisses Staatsdefizit

Auch der Staatshaushalt ist weit von der Realität entfernt. Obwohl das Defizit offiziell bei 3,6 Prozent der Wirtschaftsleistung liegt, könnte das tatsächliche Loch bis zu 7 Prozent betragen, meint Analyst Dmytro Bojartschuk. Auch die nationale Währung gerät zunehmend unter Druck.

Das macht Roman, einem Kleinunternehmer aus Lemberg, der eine kleine Importfirma führt und vorrangig Möbel und Einrichtungen einführt, zu schaffen. „Der Kurs war in den letzten Tagen im freien Fall, niemand weiß, wo die Hrywnja morgen steht.“ Er habe Bestellungen stoppen müssen: „Ich kann doch die Preise nicht um ein Fünftel erhöhen; aber wenn ich das nicht mache, ist das ein Verlustgeschäft für mich.“

Nachdem die Hrywnja in der letzten Januarwoche etwa 15 Prozent an Wert verloren hat, hat sich der Kurs inzwischen etwas stabilisiert. Doch niemand kann vorhersagen, wie lange. Das Vertrauen ist weg, die Bevölkerung reagiert panikartig auf jede Meldung und kündigt Spareinlagen, um das Geld in Dollars umzutauschen. Für den Präsidenten und die Regierung wird es immer enger.

17 Feb 2014

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