taz.de -- Doping im Biathlon: Nur noch lachhaft

Die Geschichte der Leistungsmanipulation durch Chemie ist in Deutschland vorzüglich dokumentiert – im Wintersport allgemein, und auch im Biathlon.
Bild: Dopingproben in einem deutschen Labor.

Es war sein größtes Rennen. Am 11. Februar 1984 gewann Peter Angerer aus dem oberbayerischen Hammer in Sarajevo olympisches Gold im Biathlonrennen über 20 Kilometer. Es war ein Sieg im Kampf der Systeme. Silber gewann Frank-Peter Roetsch von der SG Dynamo Zinnwald im Erzgebirge. Ob es ein sauberes Rennen war? Das darf getrost bezweifelt werden.

In der DDR wurde nach Staatsplan gedopt, in der BRD flächendeckendes Doping lange zumindest geduldet, wie es in einer 2013 heiß diskutierten Studie dokumentiert ist. Angerer, dessen Olympiagold die Popularität des Skijägersports in Westdeutschland begründete, wurde 1986 positiv auf Testosteron getestet und für zwei Jahre gesperrt: Die Erfolgsgeschichte des Biathlons in Deutschland fängt mit mit einem gedopten Sportler an.

In Sotschi wurden viele Krisengeschichten über die erfolgsverwöhnten SchützInnen auf Skiern geschrieben. Nach den Erfolgen der letzten Jahrzehnte (57 Olympiamedaillen seit 1980) blieben die großen Siege diesmal aus. Zum Ende der Biathlonwettbewerbe in Sotschi gab es nur noch ein Thema, ein nur allzu bekanntes: Doping.

Evi Sachenbacher-Stehle ist nicht die erste Biathletin, die in diesem Jahr positiv getestet wurde. Kurz vor den Spielen wurden zwei russische Spitzenathleten aus dem Verkehr gezogen. Die 26 Jahre alte Irina Starych, die beste Russin in der laufenden Weltcup-Saison und wie aus dem Nichts in die Weltspitze aufgestiegen, ist positiv auf das Blutdopingmittel Epo getestet worden. Zusammen mit ihr flog Jekaterina Jurjewa auf, die schon 2008 als Doperin überführt worden war. Albina Achatowa, in Turin 2006 Staffelolympiasiegerin, und Dimitri Jaroschenko, zweimal Staffelweltmeister, wurden ebenfalls 2008 mit Epo erwischt.

Wiener Firma Humanplasma

Gerne zeigte man damals mit dem Finger auf die Russen, und beinahe niemand in Deutschland wollte glauben, was die ARD im Januar 2008 behauptet hat. Was da vermeldet wurde, nämlich dass 31 Wintersportler, „Biathleten und Skilangläufer, die zumindest zum Teil zur Weltspitze gehören“ regelmäßige Kunden in der Wiener Firma Humanplasma waren, wo etliche Spitzensportler ihr Blut aufgefrischt haben, konnte nie bewiesen werden.

Die Bösen waren immer die anderen – Wolfgang Perner und Wolfgang Rottmann zum Beispiel. Sie gehörten zu jenem österreichischen Langlauf- und Biathlonteam, bei dem die italienische Polizei während der Spiele von Turin 2006 eine Razzia veranstaltet hatte. Bei dieser wurden etliche zum Blutdoping geeignete Utensilien sichergestellt.

Und da ist noch der Fall der Finnin Kaisa Varis. Die war wie Sachenbacher-Stehle erst Langläuferin und lief mit Epo gedopt in der Staffel bei der WM 2003 in Val di Fiemme auf den zweiten Platz. Nach einer positiven Dopingprobe wurde sie für zwei Jahre gesperrt. Nach ihrem Wechsel zum Biathlon wurde sie 2008 wieder positiv getestet. Wieder hatte sie Epo genommen. Dopingthemen sind lange schon fester Bestandteil der Biathlonberichterstattung.

Derweil liefen die deutschen Biathleten lange von Erfolg zu Erfolg. Biathlon wurde zur großen Wintersportliebe der Deutschen. Die Arenen von Oberhof und Ruhpolding sind bei jedem Weltcuprennen bis auf den letzten Platz gefüllt. Da schrillten die Alarmglocken, als bei Olympia 2010 in Vancouver die deutschen Männer keine einzige Medaille gewonnen haben. Und der Rücktritt von Goldgarantin Magdalena Neuner machte die Verantwortlichen im Deutschen Ski-Verband nervös.

Start eines Umschulungsprogramms

Der Druck stieg. Thomas Pfüller, der Sportdirektor des DSV, stellte 2012 fest: „Wir sind bei den Frauen im Biathlon nicht mehr die Macht der Vergangenheit.“ Er startete ein Umschulungsprogramm. Wollte Langläuferinnen zu Biathlonstars umformen. Erste prominente Umschülerin war Evi Sachenbacher-Stehle.

Die setzte sich dem Druck aus und konnte ihm wohl ohne pharmazeutische Hilfsmittel nicht standhalten. Hat sie die Erwartungshaltung im Biathlonland Deutschland zur Doperin gemacht? Das ist die eine Frage, die man sich stellen kann. Eine andere lautet: Wie sauber sind die Erfolge der Deutschen im Biathlon in der Vergangenheit? „Alles geben. Nichts nehmen.“ So lautet das Motto der Nationalen Anti-Doping-Agentur. Seit gestern kann darüber nur noch gelacht werden.

21 Feb 2014

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Andreas Rüttenauer

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