taz.de -- Ruprecht Polenz über Russland-Strategie: „Ich gebe die Krim nicht verloren“
Putin hat sich seine Sanktionen schon selbst verhängt, meint der langjährige CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz. Die Investitionen werden von ganz allein sinken.
taz: Herr Polenz, viele Außenpolitiker sagen: Wladimir Putin hätte sich nie gefallen lassen können, dass eine antirussische Regierung in der Ukraine das Land in Richtung EU und Nato führe. Wer sich jetzt aufrege, sei bloß naiv.
Ruprecht Polenz: Was Putin getan hat, war ein Bruch des Völkerrechts. Die EU bedroht mit ihrer Politik der östlichen Partnerschaft niemanden. Sondern sie respektiert das Recht jedes Staats, sich außenpolitisch zu orientieren, wohin er will. Die Putin-Apologeten verkennen diesen entscheidenden Unterschied. Putin will die Länder zwischen Russland und der EU durch frozen conflicts lähmen. Russland fühlt sich nur sicher, wenn auf beiden Seiten der russischen Grenze russische Soldaten stehen. Putin hat Angst vor einem russischen Maidan, es soll keine Vorbilder für Demokratisierung vor der Haustür geben.
Die EU behauptet, bei ihrer „Östlichen Partnerschaft“ für die Ukraine, Georgien, Moldau et cetera gebe es nur Gewinner. Das halten diejenigen, die unter den Wirtschaftsreformen leiden, womöglich für eine Lüge.
Es ist das Gleiche wie im Baltikum: Es gibt kurzfristige Härten zum Beispiel durch steigende Energiepreise auch für die Bevölkerung, aber langfristigen Nutzen. Die EU will ihr Geld nicht in ein Fass ohne Boden investieren. Es müssen also Löcher im Fass abgedichtet werden, bevor Europa Geld gibt. Das ist legitim.
Wenn die Krim nicht mehr zur Ukraine gehören will – wo ist der Unterschied zum Kosovo, das sich von Serbien trennte?
Die Abstimmung an diesem Sonntag auf der Krim ist illegal. Es gibt kein Recht auf eine Sezession, für die der abspaltungswillige Landesteil sich ganz allein entscheidet. Es gibt derzeit auf der Krim ja keine faire Auseinandersetzung über Alternativen. Referenden können abgehalten werden – aber wenn, dann wie in Montenegro, wo lange und aufwendig mit Serbien verhandelt wurde und die OSZE beteiligt ist.
Trägt es nicht zur Eskalation der Lage bei, den Abschluss des Assoziierungsabkommens mit der Ukraine jetzt sogar noch zu beschleunigen?
Die EU kann jetzt nicht die Ukraine dafür bestrafen, dass Putin die Krim annektiert hat. Sie muss der neuen Regierung mit Rat und Tat zur Seite stehen, so dass es im Mai Wahlen geben kann.
Aber die Krim geben auch Sie einstweilen verloren?
Ich gebe weder Abchasien noch Ossetien und nun auch nicht die Krim verloren: Diese von Russland zur Destabilisierung der Anrainerländer unterhaltenen Teilrepubliken werden auf der ganzen Welt nicht anerkannt.
Dennoch fehlt der EU seit Jahren eine Russland-Strategie. Hätte es mehr Angebote zur Zusammenarbeit geben müssen?
Auf Englisch sagt man, „it takes two to tango“: Dazu gehören immer zwei. Russland wurden seit 1990 sehr viele Angebote gemacht, sogar die Mitgliedschaft in der Nato war dabei. Auch die Modernisierungspartnerschaft der EU hat Putin aber so verstanden, dass er technische Modernisierungsangebote gern annimmt, die Freisetzung von Innovationsgeist aber verhindert. So geht er auch mit den staatsunabhängigen Eliten um. Diese Art Selbstisolierung aber kostet etwas, und das wird Putin bald am Rubelkurs und am Aktienindex erkennen.
Montag entscheidet die EU über Sanktionen – Einreiseverbote und Kontensperrungen. Wird das Putin beeindrucken?
Die EU muss die politischen und ökonomischen Kosten erhöhen, deren Kalkulation Putin zur Annahme verleitet haben, er könnte die Krim einfach so annektieren. Das Einfrieren der Konten und Reisebeschränkungen für bestimmte Akteure sind dazu geeignet. Außerdem muss Putin deutlich gemacht werden, dass man auf sein Wort nicht mehr zählt, dass das Vertrauen erschüttert ist. Ab jetzt alles nur noch schriftlich.
Werden die Wirtschaftssanktionen auch kommen? Sie wirken meist nur langfristig.
Man muss jetzt gar nicht mehr viel tun, um Russland die wirtschaftlichen Folgen seines Handelns deutlich zu machen. Putin hat sich seine Sanktionen schon selbst verhängt. Die Investitionen in Russland werden nun von allein zurückgehen. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass Frankreich seine Hubschrauberträger nun noch an Russland zur Aufrüstung der Schwarzmeerflotte verkauft. Dieser Handel muss gestoppt werden – aber die Kosten sollten dann auf die EU umgelegt werden.
12 Mar 2014
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