taz.de -- Kommentar Edathy und „Spiegel“: Unangenehme Berührung
Im „Spiegel“ wehrt sich Sebastian Edathy gegen Kinderpornografie-Vorwürfe. Das Problem: Vieles von dem, was er sagt, wird nicht hinterfragt.
„Nacktheit und Sexualität sollte man schon noch unterscheiden können. Nacktheit ist zudem nicht an sich pornografisch.“ Sagt Sebastian Edathy. In einem [1][Interview mit dem Spiegel]. Da hat der Ex-SPD-Bundestagsabgeordnete, gegen den wegen des Besitzes von kinderpornografischen Materials ermittelt wird, recht. Und trotzdem lässt einen der Text unangenehm berührt zurück.
Man fragt sich, ob der Mann sich mit seinen Aussagen nicht eher um Kopf und Kragen redet, anstatt sich und seine Situation zu erklären. Und man fragt sich auch, ob das Nachrichtenmagazin für das Gespräch mit Edathy, der sich an einem geheimen Ort in Südeuropa aufhält, nicht einen unmoralischen Deal eingegangen ist: Du lässt uns zu dir, dafür versichern wir dir, dass du Dinge sagen darfst, die wir nicht noch einmal hinterfragen.
So darf Edathy seinen Fall unerwidert auf die Ebene der Kunstgeschichte heben. In der habe nämlich „der männliche Akt, auch der Kinder- und Jugendakt“ eine „lange Tradition“. Und er darf unwidersprochen erzählen, dass ausgerechnet jener Computer, mit dem er die „Nacktfotos“ bestellt haben soll, seiner „Erinnerung“ nach in einem Zug gestohlen worden sei.
Das klingt alles so hanebüchen, dass einem der Atem stockt. Wer verlässt mal kurz den Zug – also nicht nur das Abteil, um vielleicht auf die Toilette zu gehen – und lässt sein Laptop auf dem Platz liegen? Tut das jemand, der qua Amt mit dem Schutz von Unterlagen (und damit auch von Rechnern) bestens vertraut sein dürfte?
Edathy bestreitet nach wie vor, pädophil zu sein. Das darf er, seine sexuellen Neigungen sind tatsächlich seine Privatsache. Ebenso darf er sich weiterhin als Opfer inszenieren, „als verfemt“, als „Aussätziger“. Aber darf er auch Verständnis erwarten, wenn er sich derart verschwiemelt und verschämt ausdrückt? Wohl kaum.
16 Mar 2014
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