taz.de -- Pro Deutschland am Oranienplatz: Die Eier nicht wert
Rechtspopulisten wollten gegen das Flüchtlingscamp in Berlin-Kreuzberg demonstrieren. Doch es kamen nur drei. Die Gegendemonstranten? 300.
BERLIN taz | Wie viele Pro-Deutschland-Mitglieder braucht es für einen peinlichen Auftritt? Diese Frage haben sich die Rechtspopulisten am Sonntag auf dem Berliner Oranienplatz selbst beantwortet. Es sind drei. Einer spricht ins Megafon, einer hält mit der Kamera drauf – und einer trägt im Hintergrund die Deutschlandflagge.
Mit zehn Teilnehmern hatte die Bürgerbewegung kommen wollen, um gegen das Flüchtlingscamp am Oranienplatz zu protestieren. Ein zu ambitioniertes Vorhaben, wie sich zeigen sollte. So stellt sich die knappe Hand voll Vertreter von Pro Deutschland den knapp 300 Gegendemonstranten – gut abgeschirmt von der Polizei, etwa 150 Meter vom Camp entfernt.
Die erste Viertelstunde ihrer Kundgebung verbringen die Teilnehmer mit dem Versuch, unter Buhrufen und Pfiffen eine Deutschlandflagge an einer Laterne anzubringen. Mehrere Anläufe sind dafür nötig. (Zuruf aus der Menge der Gegendemonstranten: „Ja, so eine Flagge is 'n komplexes Teil, wa?“). Dann packt Redner Stephan Böhlke sein Klemmbrett aus und beginnt, abzulesen. Besonders viel zu hören gibt es nicht, seine Rede wird von den „Kein Mensch ist illegal“-Rufen der Gegenseite übertönt.
Er habe beim Verwaltungsgericht Klage eingereicht und bestehe auf der sofortigen Räumung des Oranienplatzes, versucht Böhlke zu erklären. Zu wem er eigentlich spricht, ist nicht ersichtlich. Interessiertes Publikum gibt es keines. Ein einzelnes Ei fliegt über die Absperrung der Polizei und verfehlt ihn knapp. Für mehr sind den Gegendemonstranten ihre Lebensmittel anscheinend zu schade.
Unsere Stadt
„Das hier ist unsere Stadt, unser Stadtteil“, ruft Böhlke ins Megafon. Die anderen Stadtteilbewohner scheinen anderer Meinung zu sein. Seine Worte werden übertönt von der Musik, die aus den weit aufgerissenen Fenstern eines angrenzenden Wohnhauses schallt: [1][„Ich will den Globus nazifrei!“]
Ein Redebeitrag verhallt ungehört, dann noch ein zweiter. Der Mann mit der Deutschlandflagge klatscht ein paar mal in die Hände. Nach knapp einer Stunde packt Böhlke das Klemmbrett weg und schnappt sich seine Kaufland-Plastiktüte. Pro Deutschland geht geschlossen ab. Von einem Transparent der Gegendemonstranten weht es ihnen hinterher: „Und Gott sprach: Esst mehr Nazis. Tütensuppen sind ungesund.“
16 Mar 2014
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die Flüchtlinge räumen das Camp – freiwillig. Dafür gibt's eine Einzelfallprüfung. Jetzt besteht die Gefahr, dass die Flüchtlinge zum Schluss blank dastehen.
Die meisten Flüchtlinge vom Berliner Oranienplatz einigen sich mit dem Senat auf eine Auflösung des Camps. Eine kleinere Gruppe lehnt den Kompromiss jedoch ab.
Nach der zuletzt an Absurdität kaum zu überbietenden Debatte ist es wichtig, dass wenigstens wieder über die Schicksale der Menschen auf dem Platz gesprochen wird.
Bis Ende März muss eine Lösung für die Flüchtlinge auf dem Kreuzberger Oranienplatz her – doch Senatorin Kolat schweigt.
Die Flüchtlinge in Kreuzberg bauen sich Holzverschläge. Die CDU tobt. Sie wollte das Camp längst räumen. Doch die Lösung liegt bei Innensenator Henkel.
Napuli Langa, Mitbegründerin des Flüchtlingscamps, sagt, die Polizei habe sie rassistisch und sexistisch beschimpft. Vorher Eskalation in der U-Bahn.