taz.de -- Kommentar Wahl in Südafrika: Mehr Vergangenheit als Zukunft

Das Land am Kap befindet sich in einer kuriosen Phase der Selbstfindung. Und der ANC hat keine Perspektive für eine Neuorientierung zu bieten.
Bild: Die internationale Aufmerksamkeit für Mandelas „Regenbogennation“ ist eher gemäßigt.

Alle schauten auf Südafrika, nachdem am 5. Dezember 2013 Nelson Mandela starb. Der Abschied von der letzten unumstrittenen großen Ikone des 20. Jahrhunderts vereinte die Welt im Gedenken.

Damals ging es um die Vergangenheit. Am 7. Mai, an Südafrikas erster Wahl seit Mandelas Tod, ist die internationale Aufmerksamkeit für Mandelas „Regenbogennation“ eher gemäßigt. Dabei geht es jetzt um Südafrikas Zukunft. Ist die etwa weniger wichtig?

Das Land am Kap befindet sich in einer kuriosen Phase der Selbstfindung. Die „frei geborene“ Generation derjenigen, die nach dem Ende der Apartheid aufwuchsen, darf jetzt erstmals wählen – aber die regierende ehemalige Befreiungsbewegung ANC wirbt um sie mit dem Appell, „Mandelas Erbe“ zu respektieren.

Zugleich haben immer mehr alte Weggefährten von Mandelas Freiheitskampf mit dem ANC gebrochen – vom alten Untergrundstrategen Ronnie Kasrils bis zu Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu. Sie erkennen sich weder im Stil noch im Inhalt des Regierungswirkens von Präsident Zuma wieder.

Der als autoritär und volksnah geltende, aber in Wahrheit oft eher zaghaft und distanziert agierende südafrikanische Staatschef hat in seinen fünf Jahren an der Macht weniger Schaden angerichtet als befürchtet, aber auch weniger geleistet als erhofft.

Keine stolze Bilanz

Streikende Bergarbeiter zusammenzuschießen, die Pressefreiheit zu knebeln, die Armee in einem glücklosen Zentralafrika-Einsatz aufzureiben und ökonomisch auf dem Kontinent hinter Nigeria zurückzufallen ist keine stolze Bilanz. Als Ausgleich für die mittelmäßige Gegenwart seines Landes verweist Präsident Jacob Zuma auf die glorreiche Geschichte seiner Organisation. Für einen soliden Wahlsieg mag das reichen. Für eine klare Zukunftsperspektive nicht.

Schon andere Befreier in Afrika haben erkennen müssen, dass in einem jungen und aufstrebenden Kontinent der Verweis auf Heldentaten der Vergangenheit nicht genügt, um den Blick von den Herausforderungen der Zukunft abzulenken. Man kann nur hoffen, dass Südafrika in einer zweiten Zuma-Amtszeit die politische Verjüngung und Neuorientierung schafft – ohne Turbulenzen und ohne Rückzug der Elite auf ihre Privilegien.

Dann wäre, nach der gelungenen friedlichen Überwindung der Apartheid, Südafrika auch für das Afrika des 21. Jahrhunderts ein Vorbild.

7 May 2014

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Dominic Johnson

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