taz.de -- Wahl in Südafrika: Die ewige Hoffnung
Vor zwei Jahren erschoss Südafrikas Polizei streikende Bergarbeiter. Am selben Ort hofft eine linke Abspaltung des ANC auf die Stimmen der Frustrierten.
MARIKANA taz | Bei jedem Schritt auf den Schotterwegen wirbelt Winterstaub durch die Luft. Trübe Stimmung legt sich auf das Gemüt. Seit Januar schon streiken fast 70.000 Bergleute in Südafrikas Platingürtel nordwestlich von Johannesburg und fordern höhere Löhne. Viele von ihnen sind depressiv, aber entschlossen, für ihre Familien und für ein besseres Auskommen weiterzukämpfen. Läden sind geschlossen, Bergleute sitzen am Straßenrand oder vor ihren Blechhütten direkt in Fabriknähe. Manche spielen Karten zum Zeitvertreib. Wahlen? Nebensache.
„Ich denke, wir sollten der Regierung immer noch eine Chance geben“, sagt Timothy Gumbi. Der 34-jährige streikende Bergmann aus Rustenburg hat sieben Jahre als Gesteinsbohrer im Lonmin-Platinbergwerk geschuftet, seine drei Kinder gehen nicht zur Schule und bei ihm zu Hause sind Lebensmittel knapp. Vom regierenden ANC (Afrikanischer Nationalkongress) ist er enttäuscht.
Aber es ist noch die Partei Mandelas, sagt er. „Der ANC hat viel für uns getan. Aber es ist nicht gut, dass sie uns nicht helfen mit unserer Lohnforderung“, sagt er frustriert und zieht die Wollmütze tief in die Stirn. Dennoch wird er wieder ANC wählen. In der Hoffnung auf Wandel.
Auf die Stimmen der frustrierten Bergleute in Marikana hofft zugleich die neugegründete Partei EFF (Economic Freedom Fighters) des früheren ANC-Jugendligachefs Julius Malema, der einen linkspopulistischen Wahlkampf führt. Hier wurde die EFF einst aus der Taufe gehoben, hier absolvierte Malema am Dienstag seine Abschlusskundgebung.
Marikana ist ein symbolischer Ort für Südafrikas schwarze Arbeiterschaft, seit Polizisten im August 2012 34 streikende Bergleute auf offenem Feld erschossen – das größte Massaker im Land seit Ende der Apartheid. „Malema kam wenigstens, um uns beizustehen“, erinnert sich Siyabonga Ngxongo, 29jähriger Maschinist im Lonmin-Platinwerk. „Die Regierung schickte uns die Polizei, um uns zu töten. Aber EFF kam uns zu Hilfe."
Streiks sind hier Dauerzustand
Am vergangenen Freitag waren die holprigen Wege um Marikana voller roter Barette, das Markenzeichen der EFF. Von ANC-T-Shirts dagegen keine Spur. Das ANC-Büro in Nkaneng neben der Kneipe „Never Die“ war niedergebrannt worden, rechtzeitig zu einem geplanten Besuch von Präsident Jacob Zuma. Der zog es daraufhin vor, die Gegend zu meiden.
Seit dem Massaker von 2012 hat sich in Marikana nicht viel geändert. Die versprochenen Lohnerhöhungen sind kaum gezahlt worden, Streiks werden zum Dauerzustand und die radikale Gewerkschaft AMCU (Association of Mineworkes and Construction Union), die sich nach gewaltsamen Kämpfen mit der alteingesessenen ANC-treuen NUM (National Union of Mineworkers) durchsetzte und als Tarifpartner anerkannt wurde, bleibt hart. „Die Bergbaufirmen hier schinden Zeit, aber wir werden nicht aufgeben“, sagt Mzwanele Madiba, AMCU-Sekretär von Marikana.
Maschinist Ngxongo lässt sich aus über die Lebensbedingungen der Bergleute. Sechs Männer leben in einem Raum im heruntergekommen Block des Männerwohnheims. „Das ist wie in einem Gefängnis.“ Ngxongo verdient 5.000 Rand im Monat, kaum 500 Euro, nach fünf Jahren bei Lonmin. „Ich will echten Wandel sehen und das wird nicht geschehen, wenn wir für den ANC stimmen“, sagt er. Für ihn heisst die Lösung: EFF. „Der ANC ist gescheitert, er hat den Bildungssektor sowie die Arbeitslosigkeit nicht verbessert und die öffentlichen Dienstleistugen für die Armen sind mangelhaft.“
Der Frust über den ANC sitzt den Bergleuten von Marikana in den Knochen. Die Farlam-Untersuchungskommission über das Massaker von 2012 tagt immer noch. Vor den Wahlen wird es keine Antworten auf die Frage geben, die die Menschen hier bewegt: Warum eröffnete die Polizei das Feuer auf lediglich mit Stöcken ausgerüstete Kumpels?
Ob der ANC durch den Verweis auf Mandelas Erbe oder EFF mit antikapitalistischen Parolen in Marikana die meisten Stimmen erhält – AMCU-Führer Josepf Mathunjwa hat eine klare Ansage: „Nur ein ehrenhaftes Angebot kann den Streik beenden.“ Die Kumpels bestehen auch nach vier Monaten Ausstand auf 12.500 Rand pro Monat (1.200 Euro) innerhalb der nächsten vier Jahre, betont der Gewerkschaftsfunktionär. Und wenn sie entlassen werden? „Dann wird kein Bergwerk mehr funktionieren.“
6 May 2014
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