taz.de -- Soll das Tempelhofer Feld frei bleiben?: Contra: Es kann flott gebaut werden.

In sechs Tagen stimmen die Berliner über die Zukunft des Tempelhofer Felds ab. Sie haben sich noch nicht entschieden, wie Sie abstimmen? Die taz hilft.
Bild: Können Sie die Erdkrümmung in der Weite des Feldes erkennen?

Wenn sich zwei Forderungen gegenüberstehen, muss üblicherweise eine Seite weichen oder Abstriche machen. Den Kreis könne man nicht quadrieren, heißt es dann; sich zu waschen, ohne sich nass zu machen, funktioniere eben nicht; die eierlegende Wollmilchsau, um noch so ein Bild hervorzukramen, gebe es nicht. Genau das versuchen auch die Gegner einer Randbebauung am Tempelhofer Feld zu suggerieren: Komme der Wohnungsbau, sei es vorbei mit der Herrlichkeit und Idylle. Fakt ist: Das ist falsch, denn in diesem Fall lässt sich der Kreis tatsächlich quadrieren.

Ganz praktisch heißt das: All das, was tagein, tagaus Hunderte und am Wochenende oft Tausende auf dem Feld tun, können sie genauso machen, wenn im Südwesten und im Osten des Gebietes mehr-, teils auch zehngeschossige Häuser stehen. Um es mal anhand der Aktivitäten konkret zu machen:

Inlineskaten: Der Asphalt hat zwar nicht die Qualität des famosen, fast 100 Kilometer langen Flaeming-Skate-Kurses südlich von Berlin, ist aber akzeptabel. Stellenweise surren die Rollen sogar ganz ruhig über jene Bahnen, über die einst Flugzeuge zum Start und von der Landung wegkamen. Ein Blick auf die bisher vorliegenden groben Baupläne zeigt: Diese Asphaltbahnen bleiben unberührt – Skaten geht auch, wenn 4.700 neue Wohnungen etwas Druck vom zunehmend engen Mietmarkt genommen haben.

Radfahren: Siehe oben.

Laufen: Bräuchte den Asphaltkurs gar nicht.

Drachensteigenlassen: Wenn 230 Hektar frei bleiben, also so viel Fläche wie mehr als 300 Fußballplätze, dann ist nicht wirklich zu befürchten, dass sich der Himmel über dem Feld wegen zu großer Drachenkonzentration verdunkelt. Wer nun mit veränderten Winden ankommt wegen möglicher zehngeschossiger Gebäude und deshalb nicht bauen will, sollte sich fragen, ob dieses Argument Wohnungssuchenden ernsthaft zu vermitteln ist

Grillen: Geht nach wie vor in breiter Fläche.

Es geht also alles weiter wie bisher, maximal gestört durch Baulärm. Doch den muss zum einen jeder Nachbar eines Neubaus verkraften, zum anderen ist der Lärm vorübergehend, und drittens lässt sich auch mit Ohropax skaten. Für diesen Preis aber ist es möglich, zumindest dem jetzigen Masterplan des Senats zufolge, 4.700 Wohnungen zu bauen – und zwar ziemlich zügig, weil Grund und Boden dem Land Berlin bereits gehören und nicht einem anderen Eigentümer erst in langwierigen Verhandlungen abgerungen werden müssen.

Nun soll die Euphorie nicht so weit gehen, dort nun ein Mietparadies für Geringverdiener entstehen zu sehen. 6 bis 8 Euro Miete pro Quadratmeter müssen auch erst mal bezahlt werden, und diese Mietobergrenzen sollen auch nur für jede zweite Wohnung gelten. Und ja, Berlin braucht viel mehr neue Wohnungen als die am Feld geplanten, bis 2030 angeblich 140.000. Aber wenn das ein Argument sein soll, dort nicht zu bauen, dürfte man über einzelne Baulücken und kleinere Projekte ja noch nicht einmal nachdenken.

Fakt ist: Jede einzelne dieser Wohnungen wäre eine Entlastung für den Markt, selbst wenn es Luxuslofts wären, wie Bebauungsgegner gern unterstellen: Wer hier viel Geld für eine Bude hinlegen würde, verdrängt dann nicht jemanden aus einer bestehenden Altbauwohnung in Kreuzberg, Mitte oder Friedrichshain, deren Vermieter auf höhere Einnahmen hofft.

Wohnen, Feiern, Skaten – ja, es geht zusammen. Und so kann am Tempelhofer Feld ausnahmsweise funktionieren, woran sich in konkreter Mathematik, Fachbereich Geometrie, schon Archimedes vergeblich abgemüht hat: der Quadratur des Kreises.

19 May 2014

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Stefan Alberti

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