taz.de -- Linke streitet über Montagsdemos: Der Querfront einen Schritt näher

Mehrere linke Funktionsträger rufen zur Teilnahme an der dubiosen „Friedensbewegung 2014“ auf. Widerspruch kommt aus den eigenen Reihen.
Bild: Wird das noch eine linke Bewegung? Was bleibt ist Hoffnung

BERLIN taz | Stell Dir vor, es gibt eine Bewegung – und die Linke ist nicht dabei. Für einige Vertreter etablierter linker Organisationen muss dies eine schwer zu ertragende Vorstellung sein. Über zwei Monate nach Auftauchen der „Friedensbewegung 2014“, die sich seither jeden Montag in drei Dutzend Städten versammelt, wollen einige Vertreter etablierter linker Organisationen nicht mehr nur Zaungäste sein. In einem //www.facebook.com/pedram.shahyar/posts/10202989981523296?fref=nf:Offenen Brief, verfasst vom Linken-Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko, rufen sie dazu auf, „wenn möglich“ die Kooperation mit den friedensliebenden Kräften vor Ort zu suchen.

Entgegen der [1][geballten Kritik an den Initiatoren der Bewegung], ihrer scheinbaren Ideologiefreiheit, die allerlei kruden bis hin zu antisemitischen Theorien Raum lässt, geben sich die Unterzeichner optimistisch, mit ihrer Beteiligung einen Beitrag leisten zu können, „eine kraftvolle und emanzipatorische Bewegung zu entwickeln“. Sie widersprechen der Einschätzung von Kritikern, dass es sich „im Kern um eine neurechte Bewegung“ handele, und wollen die Montagsdemos nicht mit einem „exkommunizierenden Bannstrahl versehen“.

Eine argumentative Begründung, wieso die Friedensbewegung inzwischen unterstützenswert sei, fehlt in dem Schreiben. Behauptet wird lediglich, dass in einigen Städten ein klarer „Trennstrich nach rechts gezogen“ worden sei. Kein Wort fällt dagegen über die verbreiteten Theorien, die amerikanische Notenbank FED sei schuld an allen Kriegen der vergangenen einhundert Jahre, wie sie Initiator Lars Mährholz wiederholt vertreten hat. Auch der Versuch, sich als neue Bewegung zu präsentieren, die unabhängig von rechter oder linker Ideologie sei, bleibt unwidersprochen.

Unterzeichnet haben den Brief unter anderem die Bundestagsabgeordneten der Linken Sabine Leidig und Heike Hänsel, mehrere Attac-Funktionsträger, der emeritierte FU-Professor Peter Grottian, Laura von Wimmersberg von der Berliner Friedenskoordination und Aktivisten der Interventionistischen Linken, darunter Thomas Seibert. Einen [2][längere Version des Briefes], garniert mit Kritik am „Finanzkapital“, dem „US-Imperialismus“ und den „deutschen Wirtschaftseliten“, verfassten die Linken-MdBs Diether Dehm und Wolfgang Gehrcke.

Zwei Wochen ist es her, dass mit [3][Pedram Shayar] erstmals ein bekannter linker Akteur [4][bei der Berliner Mahnwache auftrat]. Damals stand das ehemalige Mitglied des Attac-Koordinierungskreises noch alleine mit seinem Intervention. Nun hat sich um Shayar ein breiter Unterstützerkreis gesammelt.

Innerlinker Zwist

In ihren eigenen Organisationen stoßen die Unterzeichner derweil auf Kritik. So sieht Werner Rätz. Ko-Kreis-Mitglied von Attac zwar in einigen Städten erfreuliche Entwicklungen, warnt aber weiterhin vor „Positionen, die nach rechts offen sind oder originär aus diesem Spektrum kommen“.

Zuletzt hatte sich die „Hauptorga der Mahnwachen“ von der Beteiligung des NPD-Politikers Karl Richter distanziert, dafür aber [5][auf Facebook] mehrheitlich harsche Kritik einstecken müssen. So lauteten die Vorwürfe, man „buddle einseitige Gräben“ und könne keine Menschen ausschließen, „die völlig gewaltfrei an Demonstrationen teilnehmen wollen“.

Den offenen Brief empfindet Rätz daher als zu „pauschal“. „Verschwörungstheorien und krude Positionen stehen oftmals stärker im Vordergrund als die politische Analyse“ So war auf den Berliner Montagsdemos einer der Hauptredner der frühere RBB-Moderator Ken Jebsen, der Verschwörungstheorien zum 11. September vertritt und Israel vorwarf, die Palästinenser auszurotten.

Stefan Liebich, Realo der Linken-Bundestagsfraktion, sieht in dem Aufruf die Gefahr, „sich mit sehr zweifelhaften Positionen gemein zu machen“. Auf [6][Facebook schrieb er]: „Ich möchte mich mit diesen Leuten nicht ,solidarisch auseinandersetzen'.“

Scharfe Kritik [7][kommt ebenso von Otmar Steinbicker,] ehemals Sprecher der Kooperation für den Frieden. Die Unterzeichner machen sich zu „Feigenblättern der Berliner Mahnwachenzentrale, der längst die Felle wegschwimmen, weil die Leute teils keine Lust haben, sich immer wieder den gleichen Unfug anzuhören und anderswo das Nachdenken über ernsthafte politische und Friedensarbeit begonnen hat!“ Für Steinbicker konterkariert der Brief „die notwendige Auseinandersetzung mit den auf den meisten dieser Mahnwachen verbreiteten antisemitischen Inhalten und Verschwörungstheorien!“

20 May 2014

LINKS

[1] /Neurechte-Friedensbewegung/!136944/
[2] http://www.facebook.com/notes/diether-dehm/gegen-die-d%C3%A4monisierung-der-montagsmahnwachen/10152382669525783
[3] /!137863/
[4] /Friedensmahnwache-in-Berlin/!137987/
[5] http://www.facebook.com/montagsmahnwache?fref=ts
[6] http://www.facebook.com/berlinliebich?fref=ts
[7] http://www.facebook.com/otmar.steinbicker/posts/772494896116400

AUTOREN

Erik Peter

TAGS

Die Linke
Bewegung
Friedensbewegung
Verschwörungsmythen und Corona
Montagsdemos
Attac
Ukraine
Friedensbewegung
Friedensbewegung
Ken Jebsen
Friedensbewegung
Montagsdemos
Antisemitismus
Montagsdemos
Montagsdemos
Montagsdemonstration
Schwerpunkt Jürgen Elsässer
Verschwörungsmythen und Corona

ARTIKEL ZUM THEMA

Kommentar Globale Konflikte: Jenseits der Friedensbewegung

Die traditionelle Friedensbewegung hat ihr Weltbild zu selten aktualisiert. Wer sich in dem Feld engagiert, kann sie getrost entschlafen lassen.

„Friedensdemo“ in Berlin: Der Frieden der Wirrköpfe

Die Reste der Friedensbewegung schließen sich mit den „Montagsdemonstranten“ zusammen. Das Ergebnis: Nato, USA und Israel sind an allem schuld.

Kommentar Friedensbewegung: Der irrationale Rest

Das Bündnis, das am 13. Dezember vor Schloss Bellevue demonstrieren will, ist keine Friedensbewegung. Es ist eine Bewegung gegen den Westen.

Friedensaktivist über Montagsdemos: „Höchst problematisches Spektrum“

Otmar Steinbicker warnt vor einer Unterwanderung der Friedensbewegung durch Neurechte und Verschwörungstheoretiker.

Friedensbewegung will sich verjüngen: Gute Nacht, Freunde

Unter den neuen Friedensfreunden sind auch ein paar mit äußerst fragwürdigem Hintergrund. Kann ein Schulterschluss mit ihnen gelingen?

Montagsdemo am Samstag: Gegen Israel und die Medien

Die Montagsdemonstrationen für den Frieden bleiben sich treu: Dem Publikum werden Verschwörungstheorien und Medienschelte dargeboten.

Bewegungsforscher über Montagsdemos: „Anfällig für bizarre Deutungsmuster“

Der Forderung nach Frieden auf Montagsdemos fehle es an Inhalten, sagt Forscher Peter Ullrich. Vielen gehe es um den Ausdruck massiven Unbehagens.

Kommentar Montagsdemos: Wahn ist Programm

Die vermeintlich gesellschaftskritischen Montagsdemos sind nichts als Unfug. Ändern wird das simplifizierende Gerede der Protagonisten nichts.

Neue Montagsmahnwachen: Spontan für Frieden

Keine Fahnen, keine Chemtrails: Mit strikten Regeln wollen die Demonstranten weg von ihrem Image als Spinner und Rechte.

Demonstrieren für den Frieden: Verschwörung am Montag

Auf „Friedenskundgebungen“ treffen sich Menschen aus verschiedensten politischen Lagern und fordern den Weltfrieden. Ihre Themen: Verschwörungstheorien und rechtslastige Thesen.

Rechte Montagsdemo in Berlin: Revisionistische Friedensengel

Sie wollen weder rechts noch links sein: Ex-Linke, Verschwörungstheoretiker und NPD-Kader kommen im Namen des Friedens zusammen.

Neurechte „Friedensbewegung“: Im Kampf gegen die Medien-Mafia

Im Internet und mit „Montagsdemos“ macht eine neue Bewegung mobil. Verbreitet werden rechte Phrasen und Verschwörungstheorien.