taz.de -- Gareth Thomas über sein Coming-out: „Rugbyfans sind ehrlicher“

Die Gesellschaft hat stereotype Vorstellungen von Sportlern, findet der walisische Ex-Nationalspieler. Sein Outing habe sich positiv auf's eigene Leben ausgewirkt.
Bild: Unten bunt: Gareth Thomas nimmt bei der Gay-Rugby-Meisterschaft nicht mal die Uhr ab

Große Rugbyparty in Berlin-Pankow. Die Berlin Bruisers, Deutschlands erstes schwules Rugbyteam, laden zum Freundschaftsturnier. Gareth Thomas, Stargast des Turniers und während des Berlin Bash als Coach im Einsatz, ist der meistgefragte Mann an diesen drei Tagen.

taz: Mr. Thomas, es ist jetzt gut vier Jahre her, dass Sie sich geoutet haben, und zwei Jahre, dass Sie Ihre Karriere beendeten. Wie leben Sie heute?

Gareth Thomas: Ich bin stolz, sagen zu können, dass ich ein sehr normales Leben lebe. Ich habe den gleichen Freundeskreis wie damals, das Verhältnis zu meiner Familie ist wie zuvor. Ich habe mit meinem Beispiel gezeigt, dass sich ein Outing im Sport positiv auf das eigene Leben auswirken kann. Mein Leben ist fantastisch, seit ich die Entscheidung getroffen habe, mich zu outen.

Sie wollen andere Sportler ermutigen?

Meine Entscheidung hat ja nicht nur mit der Sphäre des Sports zu tun. Die Gesellschaft hält für einen Rugbyspieler Stereotype bereit, genauso aber für andere Berufe. Zum Beispiel für Menschen, die in Fabriken harte Arbeit verrichten. Daher glaube ich, dass mein Coming-out eben über die Grenzen des Sports hinaus gewirkt hat.

Tragen Sie weiter dazu bei?

Ja, ich arbeite etwa mit Childline zusammen, einer Beratungsstelle für Jugendliche, die Probleme bezüglich ihrer Sexualität haben. Ich gehe in Schulen und leiste dort Aufklärungsarbeit. Bildung ist das Wichtigste – Schüler sollten lernen, was das Wort „gay“ wirklich bedeutet, wie es benutzt wird und welche Auswirkungen es hat, wenn man es benutzt.

In Wales ist Rugby Volkssport. Als Sie sich outeten, war es in etwa so, als würde Franz Beckenbauer in Deutschland sagen, er sei schwul. Wie waren die Reaktionen?

Ich outete mich an einem Samstagmorgen – und am Samstagnachmittag hatten wir ein Match. Das war auch so geplant. Ich wollte direkt im Anschluss wieder das tun, wofür ich in Erinnerung behalten werden möchte: fürs Rugbyspielen. Rugby ist die Geschichte meines Lebens; nicht, dass ich schwul bin.

Dennoch ist im Profisport nach wie vor ein Coming-out schwieriger als woanders. Warum?

Die Gesellschaft hat nun mal eine Vorstellung, wie ein Sportler zu sein hat. In dieser Vorstellung ist ein Sportler nicht schwul.

Sie haben sicher von Thomas Hitzlsperger gehört.

Ja, ich hab’s im Fernsehen verfolgt.

Wenn wir walisisches Rugby mit Fußball vergleichen: Glauben Sie, dass sich aktive Fußballer in Deutschland oder England inzwischen outen können?

Ich würde das gerne glauben. Aber es gibt in einem Sportlerleben immer äußere Einflüsse, die die Karriere und das Leben des Sportlers quasi diktieren.

Gibt es einen Unterschied zwischen Rugby- und Fußballfans?

Ja, einen großen. Ich denke, Rugbyfans sind tendenziell vielleicht ehrlicher. Es ist ein barbarischer Sport. Die Fans zollen den Spielern oft generell Respekt – egal, in welchem Team der Spieler ist. Ich glaube, die Spiele sind so ereignisreich, dass die Fans wirklich nur an das Spiel denken – da ist kein Platz für andere Dinge, sie interessieren sich nicht für die Sexualität von Spielern.

Sie sind hier bei einer Gay-Rugby-Meisterschaft zu Gast. Spielen Sie selbst eigentlich noch?

Nein, gar nicht mehr. Ich kann manchmal wegen der alten Verletzungen morgens kaum aufstehen. Meine Schulter tut weh, mein Rücken, ich habe Metallplatten in meinen Armen und Fingern. Es wäre idiotisch, noch weiter zu spielen. Und ich hatte im Rugby alles erreicht, was ich wollte.

Aber Sie beobachten die Ligen weiterhin?

Natürlich, ich liebe das Spiel noch. Rugby hat mich geprägt, hat mir Werte vermittelt, und ich habe Freundschaften durch Rugby geknüpft. Dieses Spiel hat mir einen Lebensinhalt gegeben.

31 May 2014

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Jens Uthoff

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