taz.de -- Spionage in Deutschland: Geheim gibt's nicht
Die Handys zweier Geheimdienstkontrolleure wurden angezapft. Im NSA-Ausschuss wurden deshalb an vier Obleute Kryptohandys verteilt.
BERLIN taz | Bei mehreren Geheimdienstkontrolleuren im Bundestag sind in jüngster Zeit technische Angriffe auf die Handykommunikation festgestellt worden. Betroffen waren laut einem Spiegel-Bericht demnach der Linkspartei-Politiker Steffen Bockhahn, bis zu seinem Ausscheiden aus dem Bundestag im Herbst 2013 Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium, und der Unions-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss Roderich Kiesewetter.
Bockhahn bestätigte der taz, dass seine wichtigste Bundestagsmitarbeiterin im Sommer 2013, etwa sieben Wochen nach den Enthüllungen Edward Snowdens, während eines Telefonats mit ihm bemerkte, dass der SMS- und E-Mail-Verkehr auf ihrem Handy wie von Geisterhand durchsucht wurde.
Die Nachrichten erschienen auf dem Display, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Offenbar stöberte jemand in den Daten herum. Die Attacke habe gezielt nur dem SMS-Verkehr mit ihm und E-Mails mit Bezug zum Parlamentarischen Kontrollgremium gegolten, berichtete Bockhahn. Sein eigenes Handy habe in dieser Zeit mehrfach merkwürdige anonyme SMS ohne Inhalt erhalten.
Seit fast einem Jahr ermitteln Bundeskriminalamt und Landeskriminalamt wegen des Verdachts auf Cybersabotage und das Auskundschaften von Staatsgeheimnissen – bisher ohne Ergebnis. Bockhahns eigenes Handy wurde nach seinen Angaben bis heute nicht untersucht.
Der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter wiederum soll laut Spiegel im NSA-Ausschuss berichtet haben, bei einer Überprüfung seines Handys hätten Fachleute schon vor geraumer Zeit festgestellt, es sei von Dritten angezapft worden. Auf Betreiben des Ausschussvorsitzenden Patrick Sensburg (CDU) bekamen die vier Obleute im NSA-Ausschuss inzwischen Kryptohandys.
Allerdings können Sie damit nur verschlüsselt untereinander oder mit anderen Kryptohandy-Besitzern aus der Regierung telefonieren – jedoch nicht mit ihren Stellvertretern im Ausschuss oder den wissenschaftlichen Referenten, die für die inhaltliche Arbeit in dem Gremium unerlässlich sind. Diese haben weiter nur gewöhnliche Mobiltelefone.
14 Jul 2014
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Mitarbeiter des NSA-Untersuchungsausschusses beklagen sich: An brisanten Stellen sind viele zentrale Dokumente geschwärzt.
In ihren Daten-Thrillern erzählen die Bestseller-Autoren Marc Elsberg und Tom Hillenbrand, was nach Facebook auf uns zukommt. Ein Gipfeltreffen.
Die Polizei trifft den Einbrecher, bevor er einbrechen kann. Das klingt nach Science Fiction. Wird aber Realität. Wollen wir das?
Ein früherer Stasi-Analytiker schreibt, dass die Methoden der NSA schon vor Jahrzehnten bekannt waren. Und zwar in Ostberlin.
Erstmals seit Auffliegen der jüngsten US-Spionage-Fälle in Deutschland haben Merkel und Obama wieder miteinander telefoniert. Es ging auch noch um andere Themen.
Nach den Spähangriffen ringt der Untersuchungsausschuss in seiner Arbeit um eine sicherere Kommunikation. Und denkt auch über Altmodisches nach.
Grünen-Politiker Trittin fordert die Regierung auf, „Klartext“ mit den USA zu reden. Der Linken-Politiker Bockhahn stellt das Verhältnis zum Partner in Frage.
Ein, zwei, viele Spione. Laut Medienberichten hat die CIA mehrere Regierungsmitarbeiter als Quelle. Und die Außenminister Kerry und Steinmeier treffen sich.
Die Aufregung ist groß, doch die USA spähen seit eh und je die deutschen Dienste aus. Sie sind dabei nur ein bisschen dreister geworden.
Audiodateien seltener Instrumente, alte Atlanten: Was kann man daraus machen? Eine Hackerveranstaltung in Berlin hat viele Beispiele geschaffen.