taz.de -- Buch über NSA-Spionage: Was die DDR schon wusste

Ein früherer Stasi-Analytiker schreibt, dass die Methoden der NSA schon vor Jahrzehnten bekannt waren. Und zwar in Ostberlin.
Bild: Der 2006 verstorbene DDR-Spionagechef Markus Wolf hätte über die NSA-Enthüllungen eventuell nur müde gelächelt.

Der Kalte Krieg tobt weiter, mittlerweile zwischen Buchdeckeln. Wer wusste wann was über die Machenschaften des US-Geheimdienstes? Die Aufklärung der DDR kam der NSA schon vor Jahrzehnten auf die Schliche, behauptet das Buch „Imperium ohne Rätsel“ mit dem Untertitel „Was bereits die DDR-Aufklärung über die NSA wusste“ (Edition Ost). Verfasser ist Klaus Eichner, Exchefanalytiker der DDR-Aufklärung mit Spezialisierung auf die Geheimdienste der USA.

Eigentlich sollte 2013 im gleichen Verlag ein Buch des US-Amerikaners Jeffrey M. Carney erscheinen, Unteroffizier der Fernmeldeaufklärung der Air Force in Westberlin und Topstasiagent. 1983 passierte er die Grenze, er wollte in der DDR leben. Doch die Stasi schickte ihn zurück, als IM „Kid“. Später flüchtete er nach Ostberlin und wurde als Jens Karney eingebürgert.

1991 entführte ihn der US-Geheimdienst OSI, er wurde zu 38 Jahren Haft verurteilt, von denen er 12 absaß. Als Carney sein Buch beendet hatte, wollte er es der Prüfstelle der Luftwaffe vorlegen. Der Verlag beendete die Zusammenarbeit und Carney publizierte sein Kalte-Kriegs-Tagebuch im Selbstverlag und mit geschwärzten Stellen.

Carney gehört in Eichners Buch zu den „DDR-Aufklärern gegen die NSA“, ebenso der Geheimdienstexperte Julius Mader, der 1959 „detaillierte Angaben über das weltweite System der Funkabhörmaßnahmen unter Leitung der NSA“ publizierte und viele Informationen von der Stasi bekam, für die er Offizier im besonderen Einsatz war. „Der DDR-Autor“, so Eichner, „verwies vor mehr als einem halben Jahrhundert darauf, dass die elektronische Aufklärung der NSA sich auch gegen Partner der USA und neutrale Staaten richtete.“

Bei Carney sieht Eichner „die Ingredienzien“, die nun beim NSA-Skandal sichtbar werden: „So wird dort seit Jahrzehnten gearbeitet.“ Die Überwachung durch die NSA sei aber „nicht der Kern des Problems“, sondern „der imperiale Drang der Großmacht USA, ihren globalen Herrschaftsanspruch mit Hilfe der NSA im elektronischen Krieg gegen Feind wie Freund durchzusetzen“. Dieser Überzeugung sei die DDR „aus politischen Gründen“ gewesen – und „weil ihre Aufklärer die Beweise brachten“.

20 Jul 2014

AUTOREN

Barbara Bollwahn

TAGS

NSA
Stasi
Spionage
DDR
Schwerpunkt Überwachung
Schwerpunkt Überwachung
NSA
NSA
Handydaten
Spionage

ARTIKEL ZUM THEMA

„Freiheit statt Angst“-Demo in Berlin: Whistleblower gesucht

6.500 protestierten am Samstag gegen Überwachung und forderten Asyl für Edward Snowden. Sie fragten: Wo bleibt sein deutsches Pendant?

US-Überwachung in Deutschland: Geheimdienstrepräsentant reist aus

Im Zuge der Spionageaffäre forderte die Bundesregierung den CIA-Residenten in Berlin zur Ausreise auf. Dem ist er nun nachgekommen.

Debatte Überwachung in Deutschland: Völkerrecht im Glasfaserkabel

Die Bundesregierung muss endlich rechtlich gegen die USA vorgehen. Denn die NSA hat gegen das Völkerrecht verstoßen.

Spionage in Deutschland: Geheim gibt's nicht

Die Handys zweier Geheimdienstkontrolleure wurden angezapft. Im NSA-Ausschuss wurden deshalb an vier Obleute Kryptohandys verteilt.

Weitere Reaktionen auf Spionageaffäre: Nicht länger leisetreten

Grünen-Politiker Trittin fordert die Regierung auf, „Klartext“ mit den USA zu reden. Der Linken-Politiker Bockhahn stellt das Verhältnis zum Partner in Frage.