taz.de -- Kolumne Die Kriegsreporterin: Ich vertraue niemandem mehr

Mit dem Zweiten manipuliert man besser. Das alte Wählscheiben-Telefon kommt wieder zur Anwendung. Und: Warten auf 18 Teile „Imperium Trigema“.
Bild: Nimm das, NSA! Alte Rohrpostanlage in Berlin.

Hallo, taz-Medienredaktion!

Nicht wundern, wenn mein Text etwas spät ankommt, jetzt in den Sommerferien ist es etwas schwierig, Brieftauben für den Transport zu bekommen. Die Züchter sind in der Normandie und spielen den D-Day nach. Aber ein wenig Verzögerung macht nix, muss Vorsicht heutzutage doch mehr wiegen als Verbindlichkeit.

Sind es nicht die Geheimdienste, die die Leitungen anzapfen und Daten abfangen, ist es das ZDF, das manipuliert und der Bürger Stimme dreht und wendet, grad so, wie der Wind im Fernsehgarten die Seerosen auf dem Teich mal von dieser, mal von jener Seite anbläst.

Über „Unsere Besten“ sollte abgestimmt werden, und egal wie die braven Zuschauer gestimmt haben, das ZDF hat die Platzierung so manipuliert, dass die geladenen Gäste in der Sendung hübsch hoch platziert sind. Auch, wenn die Zuschauer in Wirklichkeit etwa Franz Beckenbauer nur so mitteltoll finden.

Ich habe ja dafür gestimmt, dass Andrea Berg in der Kategorie „Sieht aus, als hätte dieser Vortragende/diese Vortragende ein Alkoholproblem“ auf einem der ersten Ränge landet – satt diese Kategorie zu etablieren, hat man meine vielen Stimmen Hannelore Kraft zugeschanzt und sie von Platz fünf auf Platz vier als „Deutschlands beste Frauen“ gehoben. Zum Glück haben die beim ZDF rechtzeitig gemerkt, dass Hannelore Kohl schon tot ist.

Schleppnetzfischer der deutschen Fernsehproduzenten

Um nun nicht auch noch den Geheimdiensten ins Netz zu gehen, werde ich die Idee der Fachleute des NSA-Untersuchungsausschusses aufgreifen, über die Spiegel Online berichtete und meine Texte von nun ab mittels der Schreibmaschine fertigen. Ich vertraue keinem mehr. Selbst, wenn ich mein 123456789-Passwort in kdur84//-kDsurf00 ändere, nützt das ja nix. Interviews werde ich mit meinem alten Kassettengerät aufnehmen und die dazugehörigen Fotos mit meiner Kodak-Pocket-Kamera machen müssen.

Ich werde den Telefonapparat mit der Wählscheibe aus dem Keller kramen und für Bewegtbild eine Super-8-Kamera auf dem Flohmarkt kaufen. Ich werde noch heute Aktien der letzten Firmen erwerben, die Schreibmaschinen herstellen, und mittels der Kursgewinne ein neues Geschäftsfeld eröffnen, das berittene Boten zur Verfügung stellt und Rohrpostsysteme installiert.

Mein Vorbild soll dabei der Film- und Fernsehproduzent Nico Hofmann sein, der mit einer einzigen Idee erfolgreich ist: Geschichte zu verfilmen. Ob er die schönsten Kriegserlebnisse wie die Bombardierung Dresdens zur romantischen Liebessaga aufmöbelt oder Helmut Kohls Werdegang darstellt – sein Prinzip ist es, die deutsche Geschichte nach Ereignissen und Persönlichkeiten abzufischen und daraus einen Film zu machen.

Mit dieser Technik ist Nico Hofmann zu einer Art Schleppnetzfischer der deutschen Fernsehproduzenten avanciert, der alles aus den Tiefen des Daseins hervorholt, das groß genug ist, in seinem Bedeutungsnetz hängen zu bleiben. Jetzt ist die Firma bzw. die Familie Porsche dran. Und weil man das deutsche Familien- und Ingenieurswesen gar nicht genug hervorstellen kann, soll es dieses Mal ein Dreiteiler werden.

Wahrscheinlich wird in wenigen Jahren das „Imperium Trigema“ als 18-Teiler vorgestellt, zwei Folgen allein widmen sich dem Bau von Wolfgang Grupps Hauskapelle, während sich durch das gesamte Werk die Frage zieht: Wie hat der Affe es ins Fernsehen geschafft? Und wer bügelt sein Hemd? Mich interessiert hingegen mehr die Frage, ob „Unser Bester“ Johannes B. Kerner nun beim ADAC die Weihnachtsgala moderiert. Und damit zurück nach Berlin!

16 Jul 2014

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Silke Burmester

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