taz.de -- Kommentar Nahost-Konflikt: Keine Lösung ohne die Fatah
Die Hamas kann es sich nicht länger erlauben, Kompromisse auszuschlagen. Mahmud Abbas und seinen Sicherheitsleuten dürfte das nützen.
Es ist wie vor fünfeinhalb Jahren. Damals kam gut ein halbes Dutzend europäischer Außenminister nach Jerusalem, um die Kämpfe zwischen der Hamas und Israel beizulegen. Die Diplomaten versprachen Hilfspakete für Gaza und einen technischen Mechanismus zur Unterbindung des Waffenschmuggels. Passiert ist nichts.
Wer dem Schmuggel von Waffen für die Hamas schließlich aus purem Eigeninteresse ein Ende machte, war die ägyptische Regierung. Systematisch ließ Kairo die Tunnel zum Gazastreifen zerstören, um das Aufrüsten der Islamisten zu unterbinden.
Die internationalen Vermittlungsbemühungen haben dennoch eine temporäre Feuerpause bewirken. Wenn am heutigen Donnerstag die kriegerischen Auseinandersetzungen wieder eingestellt werden, dann können die Diplomaten stolz und erleichtert sein.
Sich aber gleich wieder auf die Heimreise zu begeben in dem Irrglauben, man habe die Mission erledigt, wäre fatal. Die eigentliche Aufgabe, den Boden zu ebnen für eine Waffenruhe, die länger als zwei bis fünf Jahre dauert, beginnt erst nach dem Erreichen der Feuerpause.
Die Hamas steht wie nie zuvor im internationalen Abseits. Der lange Verbündete Kairo boykottiert den Gazastreifen, und auch andere muslimische Staaten sind der palästinensischen Islamisten schlicht überdrüssig. Die Einheitsregierung mit der verfeindeten Fatah im Westjordanland ist ein erster Schritt bei der produktiven Ausnutzung der Misere der Hamas, die es sich nicht länger erlauben kann, Kompromisse auszuschlagen.
Die Forderung der Hamas, die Grenzen zu öffnen, leuchtet jedem ein. Rund 1,8 Millionen Menschen auf so kleinem Raum regelrecht gefangen zu halten – das darf nicht sein. Nur müssen bei einer Grenzöffnung auch die Sicherheitsinteressen der Nachbarn berücksichtigt werden. Die Hamas ist weder für Israel noch für Ägypten ein vertrauenswürdiger Partner. Die Sicherheitsleute der Fatah hingegen sind es schon.
In der praktischen Umsetzung der Einheitsregierung wäre die Stationierung der Fatah-Präsidentschaftsgarde, die schon in der Vergangenheit für den Grenzverkehr zuständig war, konsequent. Wichtiger Nebeneffekt wäre dabei, dass der moderate Fatah-Chef Mahmud Abbas nicht wieder bloß zugucken muss, wenn die Hamas die Früchte ihrer Raketenangriffe auf Israel erntet.
17 Jul 2014
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