taz.de -- Nachruf auf Johnny Winter: Der weiße Papst der schwarzen Kunst
Der Meister der Bluesgitarre, Johnny Winter, ist tot. Als einer der wenigen Weißen wurde er in die Blues Hall of Fame aufgenommen.
Die Biesdorfer Parkbühne zählt sicherlich nicht zu den ersten Konzertadressen in Berlin. Doch genau dort gab Johnny Winter, die Blueslegende, die schon in Woodstock die Massen begeisterte, Ende Mai sein letztes Deutschlandkonzert. Es wurde zu einem seiner letzten Konzerte überhaupt. Am Donnerstag ist Johnny Winter im Alter von 70 Jahren in Zürich gestorben.
Ein sehr alt wirkender Mann, mit fast glasiger Haut und schlohweißem, langen Haar, so saß er im Mai in seinem Tourbus. Die rechte Hand zittert permanent und die kleinen Äuglein sind kaum noch in der Lage das Gegenüber zu fixieren. Dieser alte Mann ist Bluesgitarrist Johnny Winter und sein Geist ist hellwach als er zu sprechen beginnt und sich sogleich an die Anfänge seiner langen musikalischen Karriere erinnert: „Schon mit zwölf wusste ich, dass ich Musiker werden wollte.
Der Blues hatte mich aber noch nicht gepackt. Ich hörte Chuck Berry, den frühen Elvis und Jerry Lee Lewis. Aber ich spielte schon eine Weile Gitarre. Und dann hörte ich im Radio einen Blues. Der Raum erstrahlte in tiefem Gefühl. Eine Regung, die mir nicht fremd war, aber von der ich damals nicht wusste, wohin damit.“ Und Johnny Winter war nicht nur versiert an der Bluesgitarre. Er war ein Meister. Nicht umsonst wurde er einmal als „weißer Papst der schwarzen Kunst“ bezeichnet. Als einer der wenigen Weißen wurde er in die Blues Hall of Fame aufgenommen.
Winter hatte zwar eingehend die Gitarrentechniken von Muddy Waters, B.B. King und Bobby Bland studiert, kopieren war seine Sache aber nicht. Selbst, wenn er Songs anderer Künstler interpretierte. Johnny Winter sezierte Akkorde bis auf die Knochen. Sein kühler, brutaler und schneidend scharfer Gitarrenton zerfurchte die Melodien, um sie schlussendlich mit größtmöglicher Emotion wieder aufzuladen. So hielt er es mit all seinen Stücken und erregte damit in den USA Ende der Sechziger erstmals Aufmerksamkeit. Beim legendären Festival in Woodstock stand er auf der Bühne.
Die Legende erzählt, dass ihn dort Janis Joplin mit Heroin vertraut machte und er anschließend für längere Zeit im Drogensumpf versank. Einer seiner größten Träume sollte sich für Winter dennoch erfüllen, als er den Blues-Musiker Muddy Waters wieder aus der Versenkung holen konnte und vier Alben mit ihm produzierte. Winter begleitete Waters zwischen 1977 und 1980 auch auf der Gitarre. Danach wurde es stiller um ihn.
Auch als alter Mann hatte Johnny Winter noch den Blues. Dieses tiefe Gefühl. Just, in dem Moment, als er die Bühne betrat und ihm seine Gitarre gereicht wurde, erblühte er zu einem anderen Menschen. Weit entfernt von dem Leben, das er wenige Augenblicke zuvor lebte.
Posthum erscheint im September sein Album „Step Back“. Als wäre es eine vorweg genommene Reminiszenz an den großen Meister, geben sich dort Musiker, wie Eric Clapton, Billy Gibbons, oder Dr. John die Ehre. Er hat es auch verdient: Johnny Winter wollte immer als großer Blues-Musiker in die Geschichte eingehen. Und genau das ist ihm gelungen.
17 Jul 2014
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
B.B. King sei von seinen Mitarbeitern vergiftet worden, behaupten dessen Töchter. Womöglich ist das nur die zweite Runde einer juristischen Schlammschlacht.
Er kam von den Baumwollfeldern des Mississippi. Mit seinen aufbrausenden Akkorden und subtilen Vibratos hat B.B. King den Blues geprägt.
Er beeinflusste ganze Generationen von Musikern. Am Donnerstag ist die Blues-Legende B.B. King im Alter von 89 Jahren in Las Vegas gestorben.
Bob Dylan liebt sie, Paul McCartney und Elvis Costello lieben sie auch. Nun tingelt die Band NRBQ mit ihrem Album „Brass Tracks“ durch die Provinz.
Diederichsens Buch „Über Pop-Musik“ ist der geglückte Versuch, Pop-Ästhetik und ihre deskriptive Beschreibung um eine Rezeptionsgeschichte zu erweitern.
Seine Erfolge verdankte er anderen Musikern. Eric Clapton, Lynyrd Skynyrd und Captain Beefheart coverten sein großes Werk.
Style-mäßig bilden sich in der Szene drei Hauptrichtungen heraus. Unser Autor bevorzugt ein besonders hartes, verwahrlostes Outfit.
RAF-Chef und Staatsfeind Nr. 1: Andreas Baaders Musikgeschmack war der von Millionen. In Stammheim hörte er Santana, Jethro Tull und, ähem, Iron Butterfly.