taz.de -- 600. Mahnwache für Atomausstieg: Eine Art Familienfeier
Seit drei Jahren protestiert ein kleines Grüppchen Atomkraftgegner regelmäßig vor dem Kanzleramt. Am Donnerstagabend fand die 600. Anti-Atom-Mahnwache statt.
Mitten im Regen ein buntes Farbenmeer vor dem Bundeskanzleramt: Schirmen, Regenmäntel und Mützen, die zu gut 30 Menschen gehören. Aus einem Lautsprecher brummt eine Männerstimme. Eine Touristengruppe und ihr Führer? Wer sich der Gruppe nähert, entdeckt auch einige Fahnen mit der roten Sonne mit breitem Grinsen. Der Mann mit der brummenden Stimme dreht sich in Richtung des Kanzleramts. "Das geht so nicht, Merkel!", ruft er empört. "Die ist im Urlaub", sagt eine der Beistehenden.
Dies hier ist die 600. Mahnwache der Atomgegner vor Merkels Dienstsitz seit der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima vor drei Jahren. Die Forderung an diesem Donnerstagabend: der sofortige Atomausstieg. Nach der Kernschmelze in dem Kraftwerk hatte die Bundesregierung zwar den Atomausstieg beschlossen. Aber eben nur auf Raten.
"Fukushima, Tschernobyl - was zu viel ist, ist zu viel!", ruft die Gruppe. "Finger weg vom Fracking, kein Kohleabbau, sofortige Abschaltung aller AKWs", fordert der Mann mit dem Mikrofon. Sein Name: Lutz Wilmering. Er ist wohl das, was man den harten Kern nennt. "Ich bin seit 2011 dabei", berichtet er. "Damals haben wir das jeden Tag gemacht. Mittlerweile treffen wir uns nur noch jeden Montag- und Donnerstagabend."
Wie ein Familiengeburtstag mutet diese Jubiläum an: Einige Teilnehmer verteilen Glückwünsche und Geschenke. Doch wegen des stärker werdenen Regens zieht sich die Gruppe nach und nach in den Park unter die Bäume zurück. Ein letztes Mal rufen sie: "Ausschalten! Ausschalten!" Dann ist das Jubiläum vorbei. Aber am Montag wird wieder protestiert.
25 Jul 2014
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