taz.de -- Vegane Gastwirtschaft in Österreich: „Eine Art Sehnsuchtsküche“

Weil viele Veganer ab und an Gusto auf ein Schnitzel haben, bietet Karl Schillinger in seiner Gastwirtschaft Fleisch ohne Fleisch an.
Bild: Niemand wird vegan geboren. Und Bock auf Fleisch haben auch die, die sich dagegen entscheiden

sonntaz: Herr Schillinger, angefangen haben Sie in Ihrem Dorf in Niederösterreich mit Bulgurlaibchen und Grünkernauflauf. Das ging aber nicht so gut. Woran lag das?

Karl Schillinger: Die klassische Gemüseküche hat einfach niemanden interessiert. Erstens gab es das in Wien zur Genüge, und zweitens ist das der Alltag jedes Vegetariers oder Veganers. Für einen Gemüsestrudel war niemand bereit, 50 Kilometer weit zu fahren. Das erste Cordon Bleu war dann die Initialzündung für unsere Gäste.

Was müssen wir uns darunter vorstellen?

Das ist aufgebaut wie ein echtes Cordon Bleu, aber es ist alles Fake: falsches Fleisch, gefüllt mit falschem Käse und falscher Wurst, in einer falschen Panade. Trotzdem gibt es viele Ähnlichkeiten: Das Sojafleisch hat eine fasrige Textur, die Seitanwurst ist pikant und der Sojakäse schmilzt auch ein bisschen.

Wie schmeckt das?

Sehr authentisch. Bei einem echten Cordon Bleu kann man ja auch nicht auf Anhieb sagen, ob es aus Putenfleisch oder Schweinefleisch besteht. Was man schmeckt, sind die Gewürze. Und da halten wir uns an die Zutaten, die beim Cordon Bleu üblich sind. Wir geben Senf mit hinein, und in der Panade ist weißer Pfeffer – wie beim Original. Noch wichtiger als der Geschmack ist die Konsistenz, damit die Leute eine Speise als echt beurteilen.

Ihr Cordon Bleu schmeckt wie Fleisch?

Das kann ich nicht sagen. Ich esse schon seit 1988 kein Fleisch mehr. Aber die Gäste sagen immer, es schmecke sehr ähnlich.

Das hat auch die Einwohner von Großmugl überzeugt?

Hier am Land waren wir zuerst die Spinner im Dorf. Als immer mehr Gäste aus Wien hergefahren sind, haben sich auch die Großmugler gedacht: Wenn die so weit fahren, muss das etwas Besonderes sein.

Warum ist es für viele Veganer so wichtig, Würste, Hühnchen oder Steaks zu essen?

Niemand wird vegan geboren. Irgendwann beschließt man, auf Fleisch zu verzichten, meist aus ethischen Gründen oder für die Gesundheit. Den wenigsten Veganern graust vor Fleisch. Deswegen bieten wir eine Art Sehnsuchtsküche an. Immer nur Gemüse und Körner ist ja gut und schön. Aber viele haben doch ab und zu Gusto auf ein Schnitzel.

Wäre es nicht gerade eine Chance, eine völlig neue kulinarische Richtung zu etablieren?

In vielen Städten der Welt gibt es tolle Restaurants, die mit Gemüse experimentieren. Wir haben einen anderen Weg gewählt. Wir wollen den Leuten anbieten, was sie nicht mehr zur Verfügung haben. Deshalb kommen auch sehr viele Umsteiger zu uns, die sagen: Wenn es so etwas gibt, kann ich auch auf Fleisch verzichten.

Bei Ihnen gibt es auch Backhendl. Wie bereiten Sie das zu?

Die Grundmasse des Hühnchens besteht aus Sojaeiweiß. Mit Gewürzen, Öl und Wasser wird die Masse in Taiwan in einem sogenannten Vakuumextruder gekocht, durch eine Spirale gepresst und dabei abgekühlt. So entstehen die Fasern im Sojafleisch. Je länger dieser Abkühlungsprozess in der Spirale dauert, umso fasriger wird das Fleisch. Gulasch braucht also länger als Thunfisch. Und dann kommt es auf die Gewürze an. Beim Hühnchen ist viel Majoran drin, etwas weißer Pfeffer und ein Schuss süße Sojasoße.

Was unterscheidet das Backhendl von der BBQ-Ente?

Die BBQ-Ente besteht aus Seitan, also aus Weizeneiweiß und nicht aus Sojafleisch. Der Seitan wird auf eine Spindel gerollt, gedämpft und dann erst gekocht. Dadurch entsteht eine Lagigkeit, wie man sie von Enten- oder Gänsefleisch kennt. Die Seitanente wird in unserer hausgemachten BBQ-Marinade gewälzt und gegrillt. Ein sehr intensives, würziges Gericht. Das Hendl ist paniert und eher mild im Geschmack.

Was loben die Gäste an Ihren Garnelen?

Dass sie denselben Biss haben wie die echten. Sie werden mit Roter-Rüben-Farbe eingepinselt. Nach dem Anbraten haben sie diesen Rotschimmer, wie man ihn sonst von der Kruste kennt.

Verstehen Sie, dass Nichtveganer diese Nachbauarbeit ein bisschen witzig finden?

Natürlich. Aber wir würden uns wünschen, dass es Hendl und Schwein nur mehr in dieser Form gibt, dann müssten keine Tiere mehr leiden.

26 Jul 2014

AUTOREN

Marlene Halser

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