taz.de -- Kommentar Juncker in Griechenland: Unter Freunden

Von Junckers Besuch in Athen wird viel erwartet. Premier Samaras, der den neuen EU-Kommissionschef unterstützt hat, will nun etwas zurückhaben.
Bild: Ziemlich beste Freunde: Antonis Samaras (r.) und Jean-Claude Juncker.

Kaum ein hoher Gast aus dem Ausland wurde in Griechenland in den vergangenen Jahren mit so viel Sehnsucht erwartet wie Jean-Claude Juncker an diesem heißen Montagmittag. Warum ausgerechnet Juncker? Der neue EU-Kommissionschef gilt als guter Freund des krisengebeutelten europäischen Südens und als nicht so machtlos wie Vorgänger José Manuel Barroso.

Zu den Juncker-Unterstützern der ersten Stunde, als dessen Kandidatur selbst innerhalb der Europäischen Volkspartei höchst umstritten war, zählte der griechische Regierungschef Antonis Samaras. Nun will der Premier für die Treue belohnt werden – am besten dadurch, dass man in Brüssel endlich über eine Neuregelung der griechischen Schulden, etwa über eine deutliche Verlängerung der Zahlungsfristen, laut nachdenkt.

Sollte dies bis Jahresende gelingen, hätte die Athener Koalitionsregierung einen Trumpf in der Hand – für den nicht mehr unwahrscheinlichen Fall, dass die in den Umfragen wiedererstarkte Linksopposition Anfang 2015 Neuwahlen erzwingt. So das Kalkül in Athen.

Nicht zuletzt auf solchen Wahlkampfüberlegungen ist ein weiteres Anliegen von Samaras zurückzuführen: Verteidigungsminister Dimitris Avramopoulos, der neue EU-Kommissar Griechenlands, soll bei der Ressortverteilung eine möglichst prestigeträchtige Aufgabe zugesprochen bekommen. Aus Athener Sicht sollte der ehemalige Diplomat das Brüsseler Ressort für Einwanderungspolitik übernehmen und eine umfassende Reform des europäischen Asylrechts vorantreiben.

Für die Wähler der rechtsextremen „Goldenen Morgenröte“ (die aller Strafanträge zum Trotz laut Umfragen drittstärkste Partei bleibt) wäre dies eine deutliche Botschaft: „Seht her, wir tun doch was – und zwar auf höchster europäischer Ebene.“

4 Aug 2014

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Jannis Papadimitriou

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