taz.de -- Kommentar Linke und die Kriegsfrage: Jenseits der Rechthaberei

Der Protest der Partei ist groß. Kaum jemand unterstützt Gysis Vorschlag, irakischen Kurden Waffen zu liefern. Mit dem Vorstoß hat er ein Ziel erreicht.
Bild: Zieht viel Kritik auf sich: Gregor Gysi

Eigentlich verfügt Gregor Gysi über ein untrügliches Gespür, was der Linkspartei zumutbar ist. Er ist ein Virtuose des Konsens, der zusammenhält, was nicht unbedingt zusammengehört: sozialdemokratische Realos und linke Fundis zum Beispiel. Anscheinend hat nun sein Radarsystem versagt: Von Ausnahmen wie Jan Korte abgesehen, [1][steht die Partei von rechts bis links] gegen die große Integrationsfigur. Das ist neu.

Denn Gysi hat gleich zwei eherne und im Prinzip richtige Überzeugungen ins Wanken gebracht – nämlich strikt und immer gegen Waffenexporte aus Deutschland zu sein und grundsätzlich gegen jeden Krieg, der vage mit Imperialismus assoziiert wird. Angesichts des bestialischen Terrors der ISIS-Milizen [2][möchte Gysi eine Ausnahme machen] und, wenn es sonst niemand tut, unter anderem kurdische Verbände mit Waffen versorgen.

Angesichts der Welle der Empörung zieht der Fraktionschef es nun vor, diese Idee nicht zu wiederholen. Denn Frieden ist der letzte Identifiktionskern der Linkspartei. Die sozialen Themen – Hartz IV und Mindestlohn – haben an Strahlkraft verloren. Umso entschlossener wird bei Ost- und Westlinken mit der Friedensfahne gewunken. Man verteidigt den letzten Markenkern.

Hat Gysi verloren? Wankt gar sein Status, unverzichtbar für die Partei zu sein? Das mag so scheinen – aber zweimal nein. Vielmehr hat Gysi ein Ziel erreicht: nämlich [3][die Debatte aufzubrechen.] Angesichts des ISIS Terrors ist es etwas dürftig, Presseerklärungen zu verschicken, in denen routiniert die US-Bomben auf ISIS-Ziele verurteilt werden oder an die UN appelliert wird, bitte etwas zu tun.

Gysis Botschaft hingegen lautet: Es gibt moralisch zwiespältige Grenzsituationen, gegen die kein Parteiprogramm hilft. Und: Es reicht nicht, immer bloß Recht gehabt zu haben. Diese Idee ist aus der Flasche.

13 Aug 2014

LINKS

[1] /Debatte-um-Waffenlieferung-in-den-Irak/!144059/
[2] /Gregor-Gysi-fuer-deutsche-Waffenexporte/!143996/
[3] /Der-sonntaz-Streit/!144017/

AUTOREN

Stefan Reinecke

TAGS

Kurden
Die Linke
Waffen
Gregor Gysi
Gregor Gysi
Daniel Cohn-Bendit
Irak
Waffenlieferung
Gregor Gysi
Irak
Kurden

ARTIKEL ZUM THEMA

Verfassungsschutz und Linkspartei: Akte Gysi ist nicht mehr

Das Verwaltungsgericht Köln hat entschieden: Der Bundesverfassungsschutz muss sämtliche Akten über Linksfraktionschef Gregor Gysi vernichten.

Pro & Kontra zur Rüstungshilfe: Deutsche Waffen für die Kurden?

Soll Deutschland den Kampf gegen Islamisten im Irak mit Militärexporten unterstützen? Daniel Cohn-Bendit ist dafür, SPD-Vize Ralf Stegner dagegen.

Regierungsbildung im Irak: Al-Maliki gibt auf

UNO und USA reagieren erleichtert: Nuri al-Maliki tritt als irakischer Premier ab. Derweil hat die Bundeswehr mit der Lieferung von Hilfsgütern begonnen.

Kommentar Waffenlieferung an Kurden: Argumente statt Lügen

Es gibt gute Gründe gegen Waffenlieferungen an Kurden im Irak. Aber Militärministerin von der Leyen begründet den bisherigen Verzicht mit der Unwahrheit.

Debatte um Waffenlieferung in den Irak: Linke schimpfen über Gysi

Linken-Politiker finden Gysis Waffen-Forderungen „grundfalsch“. Die Bundesregierung will Ausrüstung liefern, die nicht tödlich ist.

Der sonntaz-Streit: Ist es richtig, Kurden zu bewaffnen?

Die USA haben begonnen, die kurdischen Kämpfer im Irak mit Waffen zu beliefern. Sogar Gregor Gysi fordert deutsche Waffenexporte.

Gregor Gysi für deutsche Waffenexporte: „Größeres Unheil verhindern“

Linkspartei-Fraktionschef Gysi fordert, dass Deutschland Waffen an PKK, Peschmerga und den Irak exportiert. Nur so könne der Terror von IS gestoppt werden.