taz.de -- Kommentar Julian Assange: Der traurige Aufklärer
Wikileaks-Gründer Julian Assange sollte sich stellen, denn die Vergewaltigungsvorwürfe wiegen schwer. Sein Verdienst aber dürfen wir nicht vergessen.
Fast hätte man ihn vergessen. Seit 791 Tagen sitzt Julian Assange in der ecuadorianischen Botschaft in London, mehr als zwei Jahre. Ein trauriges Schicksal für das einst gefeierte Gesicht von Wikileaks: gefangen hinter grauen Gardinen, gejagt von einem Vergewaltigungsvorwurf. Und zuletzt vollends in den Schatten gestellt von einem anderen Whistleblower – Edward Snowden.
Assange sah nicht gut aus auf seiner [1][Pressekonferenz am Montag]. Das Ende dieses trüben Daseins, es wäre ihm zu wünschen. Auch wenn Assanges Ankündigung nebulös blieb – er sollte sich stellen. Wenig spricht dafür, dass Schweden, wo die Vorwürfe gegen Assange ermittelt werden, ihn an die USA ausliefern würde. Das Land gehört zu den robustesten Rechtsstaaten. Und zu ernst sind die Vorwürfe, als dass er sie einfach als Komplott wegschieben kann.
Aber: Bisher sind es eben nur Vorwürfe. Wären sie aus der Welt geräumt, könnte sich vielleicht auch Wikileaks wieder berappeln. Denn das Projekt nahm zuletzt merklich Schaden. Nicht allerdings nur wegen Assange. Denn das Modell Wikileaks – das ungefilterte Ins-Netz-Schütten der erlangten Informationen – hat sich überholt. Bewusst entschied sich Snowden dafür, seine Dokumente nicht Wikileaks zu geben, sondern professionell von Journalisten aufarbeiten zu lassen. Es bräuchte also mehr als einen Freispruch: einen Neustart.
Zu erinnern aber ist, was Assange und seine Plattform schon jetzt geleistet haben. Nicht nur wurden US-Depeschen und Militärvideos veröffentlicht, die Verbrechen im Irak und in Afghanistan dokumentierten. Wikileaks war auch der Startschuss für eine Renaissance des Whistleblowing. Eine, die auch Snowden inspirierte. Und die bewies, welche weltumspannenden Debatten eine große Portion Courage auslösen kann. Wir sollten Assange und dieses Verdienst nicht vergessen.
18 Aug 2014
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