taz.de -- Unterbringung von Flüchtlingen: Hilferuf vom Innensenator

In der Zentralen Erstaufnahme am Volkspark werden die Plätze knapp. Deshalb möchte die Innenbehörde die Container-Kapazitäten aufstocken.
Bild: Nicht alle schlafen an der Schnackenburgallee in Containern: 200 Plätze befinden sich in Zelten

Notruf aus der Innenbehörde: Senator Michael Neumann (SPD) hat die Bezirksversammlung Altona gebeten, eine Ausweitung der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge auf dem „Parkplatz Braun“ am Stadion des HSV zu billigen. Sonst drohe bei der Erstunterbringung neu ankommender Flüchtlinge der Notstand auszubrechen.

„Ohne die Erweiterung in der Schnackenburgallee können wir eine menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge in der Erstaufnahme nicht mehr sicherstellen“, schreibt Neumann an den Vorsitzenden der Bezirksversammlung, Frank Toussaint (SPD). „Ich bitte um ihre Zustimmung zur Erteilung der Baugenehmigung.“

Gleich mehrere Beamte hatte die Behörde zur Sitzung des Hauptausschusses des Bezirks am Donnerstag vergangener Woche geschickt. Sie sollten dieses höchste Gremium zwischen den Bezirksversammlungen überzeugen. Ganz neu ist das Ansinnen nicht: Einen ersten Appell, die Kapazitäten erweitern zu dürfen, richtete die Innenbehörde schon im Herbst 2013 an die Altonaer.

Damals wohnten bereits 450 Flüchtlinge an der Schnackenburgallee, die Behörde brauchte 300 weitere Plätze in aufzustellenden Wohncontainern. Im April 2014 stockte man dann erneut auf, so dass aktuell auf dem Gelände 1.000 Container-Plätze belegt sind; ebenso weitere 200 Plätze in Zelten.

Nach den neuen Plänen soll das Areal auf 1.200 Container-Plätze aufgestockt werden – mit der Option, danach weitere 200 hinzufügen zu können.

Eigentlich sollen Flüchtlinge nur drei Monate lang in der Erstaufnahme – und damit im Zuständigkeitsbereich der Innenbehörde – leben. Für die die prekäre Lage macht der Innensenator die Sozialbehörde verantwortlich: Diese ist demnach zu langsam bei der Bereitstellung von Folgeeinrichtungen, in denen die Menschen dauerhaft leben können.

Um Notlagen und Obdachlosigkeit zu vermeiden, werde den Betroffenen gestattet, in der Erstaufnahme zu bleiben. Von den 1.200 Menschen in der Schnackenburgallee müssten 600 eigentlich längst anderswo untergebracht sein – eine Folge: Seit dem 20. Juni kann die Innenbehörde nach eigenen Angaben keinem „Neuankömmling“ mehr ein Bett in einem festen Gebäude anbieten. „Nicht nur Männer, sondern auch Frauen und Kinder müssen seither längerfristig in Großraumzelten schlafen“, berichtet Neumann.

„Wir unterstützen die Behörde natürlich bei der Erstunterbringung“, sagt Kerstin Godenschwege vom Bezirksamt Altona. Die Bezirksfraktionen von SPD, CDU, Grünen und Linken – FDP und AfD sind nur Gruppen und im Hauptausschuss nicht stimmberechtigt – intervenierten nicht gegen Neumanns Begehr.

„Der Bezirk ist immer für die Aufnahme von Flüchtlingen gewesen“, sagt Robert Jarowoy, Vorsitzender der Linksfraktion, „und wir wollen nicht, dass Leute auf der Straße sitzen.“ Es dürfe aber auch „keine Ballung von Flüchtlingen auf einem Gelände geben“.

Auf Antrag der CDU fordert der Altonaer Hauptausschuss daher die Innen und die Sozialbehörde auf, in den Planungen ausreichend soziale Gemeinschaftsräume und küchen sowie kulturelle Begegnungsstätten zu berücksichtigen. Ferner müsse der soziale Betreuungsschlüssel angesichts von 1.400 Menschen verschiedener Ethnien und Kulturkreise geändert werden, so dass ein Betreuer nur noch für jeweils 50 Flüchtlinge zuständig sei. Derzeit sind es 65 Flüchtlinge.

18 Aug 2014

AUTOREN

Kai von Appen

TAGS

Hamburg
Hamburger Senat
Unterbringung von Geflüchteten
Flüchtlinge
Flüchtlinge
Bayern
Asyl
Flüchtlinge
Flüchtlinge
Hamburg

ARTIKEL ZUM THEMA

Flüchtlingsunterkünfte: Harburgs SPD treibt quer

Der Senat will Menschen auf Wohnschiffen unterbringen – unter anderem im Harburger Binnenhafen. Dagegen kündigen die dortigen Genossen Widerstand an

Unterbringung von Flüchtlingen: Noch kein Zeltdach über dem Kopf

Eine in der Kritik stehende Zeltstadt für Flüchtlinge in Duisburg wird noch nicht bezogen. In Bayern wird für zwei Kommunen ein Aufnahmestopp verhängt.

Steigende Flüchtlingszahlen in Bayern: CSU-Innenminister attackiert Italien

Joachim Hermann wirft der italienischen Regierung vor, die EU-Asylbestimmungen zu missachten. Sie lasse die Flüchtlinge einfach weiterreisen.

Sicherheitsdienst attackiert Asylsuchende: Gewalt in Hamburger Flüchtlingsheim

In einer Hamburger Flüchtlingsunterkunft sollen muslimische Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes christliche Flüchtlinge attackiert haben.

Migration: Flüchtlingslager laufen über

Die Aufnahmeeinrichtungen in Hamburg sind wegen der steigenden Flüchtlingszahlen überfüllt. Liberale wollen Gipfelkonferenz, Grüne Kreuzfahrtschiffe zum Wohnen.

Erstaufnahme von Flüchtlingen: Zelte als Lösung

Die Innenbehörde will in Harburg Zelte aufstellen, um Flüchtlinge unterzubringen. Eine Notlösung, sagt die Behörde. Der Bezirk ist nicht einverstanden.

Neue Unterkünfte für Flüchtlinge: Haus statt Container

In Lokstedt mietet die Stadt leer stehende Wohnungen für Flüchtlinge. Ein fortschrittlicher Plan, findet der Experte vom Diakonischen Werk.

Unterbringung für Asylbewerber: Leerstand für Flüchtlinge

Die Linkspartei fordert die Beschlagnahme von leeren Bürogebäuden, die Stadt vergrößert das Aufnahmelager am Volkspark.

Flüchtlingsunterkunft verhindert: Die Klage der Anwohner

Eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Hamburg-Lokstedt darf vorerst nicht gebaut werden. Das entschied das Hamburgische Oberverwaltungsgericht.

Kommentar Unterbringung von Flüchtlingen: Inszenierte Notlage

Hamburg behauptet, es könne Flüchtlinge nur in der Erstaufnahme zusammenpferchen. Dabei gibt es reichlich Raum für eine menschenwürdige Unterbringung.