taz.de -- Krieg in der Ukraine: Schweigen die Waffen ab Freitag?

Mit einer Waffenruhe will der ukrainische Präsident ein Ende der Krise einleiten. US-Geheimdienstveteranen warnen indes Merkel vor Lügen der USA.
Bild: Die Kämpfe um Mariupol intensivierten sich trotz der Friedensbemühungen: Mitglieder des rechtsradikalen Asow-Bataillons am Donnerstag

KIEW/MOSKAU dpa | Mit einem ersten bilateralen Abkommen wollen Präsident Petro Poroschenko und die Separatisten den Weg für ein Ende des Ukraine-Konflikts frei machen. Eine Waffenruhe könnte schon an diesem Freitag unterzeichnet werden.

Sollte beim Treffen der Kontaktgruppe in der weißrussischen Hauptstadt Minsk eine Einigung erzielt werden, ordne er für die ukrainischen Streitkräfte ab 13.00 Uhr MESZ eine Feuerpause an, sagte Poroschenko am Donnerstag beim Nato-Gipfel in Wales. Ein Waffenstillstand sei der „erste Schritt zum Frieden“. Eine frühere Waffenruhe hatte Kiew nur einseitig erklärt.

Die Aufständischen signalisieren Bereitschaft zur Zusammenarbeit. „Wenn wirklich das Feuer von ihrer (offiziellen) Seite eingestellt wird, werden wir das Feuer ebenfalls einstellen“, sagte Separatistenführer Andrej Purgin. Russland sitzt als Vermittler mit am Tisch. Kremlchef Wladimir Putin hat einen Sieben-Punkte-Plan für Frieden in der Ostukraine vorgelegt, der unter anderem eine international kontrollierte Waffenruhe und einen Gefangenenaustausch vorsieht.

Trotz der Friedensbemühungen wurden die Kämpfe um Mariupol intensiver. Die Aufständischen rückten nach eigenen Angaben mit gepanzerten Fahrzeugen an die Hafenstadt heran. „Unser Ziel ist die volle Kontrolle über die Stadt“, sagte einer der Wortführer der militanten Gruppen.

Bewohnern zufolge waren in Vororten Schüsse zu hören. Die Regierungseinheiten hatten in den vergangenen Tagen Straßensperren und Stellungen vor der Stadt errichtet. Mariupol war bis Mitte Juni von den Separatisten besetzt und dann bei verlustreichen Kämpfen von der Armee zurückerobert worden.

Die Separatisten berichteten zudem von Gebietsgewinnen bei einer Offensive nahe der Separatistenhochburg Lugansk. Dabei wurden demnach mindestens 17 Regierungskämpfer getötet. Auch am Flughafen von Donezk wurde nach Darstellung der Aufständischen wieder gekämpft.

Scharfe Kritik an Poroschenko

Russlands Außenminister Sergej Lawrow signalisierte vor dem Treffen der Kontaktgruppe in Minsk Unterstützung für die Separatisten. „Sie wollen auf dem Boden leben, auf dem sie geboren wurden und auf dem ihre Vorfahren lebten“, sagte er. „Das ist ganz normal für ein europäisches zivilisiertes Land, in dem nationale Minderheiten leben“, meinte der Minister. Er hoffe, dass die Kontaktgruppe mit Vertretern der Ukraine, Russlands und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) auch über den Putin-Plan spreche.

Scharf kritisierte Russland die Teilnahme von Poroschenko am Nato-Gipfel in Wales. Minister Lawrow warnte die Ex-Sowjetrepublik vor einer Aufgabe seines blockfreien Status. Russland will, dass die Ukraine wie etwa Finnland neutral bleibt, weil es sich von einem Vorrücken des westlichen Bündnisses bedroht fühlt.

Das ukrainische Parlament beschloss in einer Sondersitzung die Bildung einer Untersuchungskommission zu den Kämpfen im Osten. Das Gremium soll insbesondere die Umstände aufklären, unter denen bei Gefechten nahe Ilowaisk fast 100 Soldaten ums Leben kamen.

Warnung an Merkel

Unterdessen hat eine Gruppe ehemaliger US-Geheimdienstmitarbeiter eine Warnung an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gerichtet, nicht auf mögliche Fehlinformationen der Amerikaner über den Ukraine-Konflikt hereinzufallen. „Die Vorwürfe einer großen russischen Invasion in der Ukraine scheinen nicht von vertrauenswürdigen Geheimdienstinformationen gestützt zu werden“, schrieben sieben pensionierte Ex-Regierungs- und Militärmitarbeiter in einem offenen Brief an Merkel, der jüngst veröffentlicht wurde.

Zu den Unterzeichnern gehört demnach auch William Binney, der bis Oktober 2001 als Technikchef für den Geheimdienst NSA arbeitete. Er war im Juli als Zeuge im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags aufgetreten. Die Autoren vergleichen die Vorwürfe des Westens gegen Russland mit der Argumentation der Amerikaner vor dem Irak-Krieg 2003. Die US-Regierung erklärte damals, die Iraker besäßen Massenvernichtungswaffen, was sich als falsch herausstellte.

Die von der Nato und den Amerikanern veröffentlichten Fotos russischer Truppen und Panzer in der Ukraine könnten falsch sein, meint die Gruppe, die sich „Geheimdienstveteranen für gesunden Menschenverstand“ nennt (Veteran Intelligence Professionals for Sanity).

Schon im Vorjahr habe US-Präsident Barack Obama fast Militärangriffe gegen Syrien geflogen, obwohl die Informationen „dubios“ gewesen seien, dass das Regime von Machthaber Baschar al-Assad Giftgas gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt habe. Die Autoren vermuten, dass die USA mit ihrem anti-russischen Kurs versuchen, die Aufnahme der Ukraine in die Nato zu befördern. Deshalb hätten sie auch im Februar einen „Staatsstreich“ in Kiew unterstützt.

4 Sep 2014

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