taz.de -- Populismus-Offerte von CDU und CSU: Die Union geht bis an die Grenze
Merkel und Seehofer wettern gegen Grenzkriminalität. Sie fürchten Erfolge der AfD am Sonntag auch in Thüringen und Brandenburg.
BERLIN taz | In der Union rumort es. Angela Merkels CDU und deren Schwesterpartei CSU streiten sich um die Maut. Und nebenbei misst sich die Kanzlerin auch noch mit der AfD, die nach Sachsen am Sonntag auch in die Landtage Thüringens und Brandenburgs einziehen könnte.
Der CSU-Verkehrsminister und sein Parteichef wollen sich mit der Maut profilieren. Horst Seehofer fordert deshalb ein Machtwort der Kanzlerin gegen die Kritiker in der CDU, überhaupt will er mehr Respekt. Und weil dieser seiner CSU scheinbar verweigert wird, hat Seehofer aktuell auch den Ton in der Asyldebatte verschärft.
[1][Laut Spiegel Online] fordert die CSU, das Schengen-Abkommen an der Grenze zu Österreich auszusetzen und wieder Grenzkontrollen einzuführen. So wolle man verhindern, dass Flüchtlinge nach Deutschland einreisen. Die Forderung ist Teil eines Programms, das der CSU-Vorstand am Montag beschließen will. „Lampedusa darf kein Vorort von Kiefersfelden werden“, hatte CSU-General Andreas Scheuer das kommentiert.
Was die CSU fordert, klingt verdächtig nach der AfD. Die stellt in den Landtagswahlkämpfen klar: „Eine Zuwanderung in die Sozialsysteme – auch aus Ländern der EU – lehnt die AfD strikt ab.“ In den Umfragen liegt sie aktuell bei 7 Prozent. In Sachsen hat sie gerade 9,7 Prozent geholt. Ein Ergebnis, das Angela Merkel in einem Radiointerview so kommentierte: „Nur 23 Prozent der AfD-Wähler kommen von der CDU. Das heißt, andere müssen sich genauso Gedanken machen wie wir.“
Ratlosigkeit bei der Union
Andere Parteien gelten aber nicht als konservativ. Für diese Marke stand bislang die Union. Dass die AfD sie nun mit populistischen Sprüchen rechts touchiert, ist neu. Und dass die kleine und laute AfD jene Wähler abholt, denen die Merkel-Union zu mittig und liberal geworden ist, hat sich auch bis ins Konrad-Adenauer-Haus rumgesprochen.
Dort ist man einigermaßen ratlos. Im Bund fährt die CDU gigantische Wahlerfolge ein – in den Ländern machen die Leute ihr Kreuzchen bei der AfD. Das sagt etwas darüber, wem die Lösung konkreter Probleme zugetraut wird. In der aktuellen Verbandszeitschrift des erzkonservativen Rings Christlich-Demokratischer Studenten bewertet CDU-Generalsekretär Peter Tauber die AfD denn auch als „Herausforderung“. Und er bekennt: „Wir werden einen gewissen Teil der Protestwähler nie erreichen können.“
Seine Vorsitzende sieht das womöglich anders. Vier Tage vor der Brandenburger Landtagswahl hat Angela Merkel ein härteres Vorgehen gegen die Kriminalität in der Grenzregion zu Polen gefordert. Im RBB-Inforadio kritisierte sie, „dass die Polizeipräsenz insbesondere in den Grenzregionen in Brandenburg absolut nicht zureichend ist und wir hier sehr viel Kriminalität haben“. Ihr Brandenburger Landesverband fordere schon lange mehr Polizei an der polnischen Grenze. Das klingt nach CSU-Wording. Und die wiederum stellt neuerdings die gleichen Forderungen wie die AfD.
9 Sep 2014
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die EU-Kommission kritisiert das Bundespolizeigesetz zur „unerlaubten Einreise“. Jetzt wurde ein entsprechendes Vertragsverletzungsverfahren bestätigt.
Die Linke profiliert sich in Thüringen als große Oppositionspartei und kommunale Kraft. Reicht das für einen Wechsel?
Die AfD gibt sich als Partei aufrechter Konservativer. Das ist bloßer Schein. Je genauer man hinschaut, desto unappetitlicher wird sie.
Die Union hat mit dem Wahlsieg der AfD in Sachsen ein Problem. Der Partei ist nichts peinlich, sie will nur Stimmen. Die CSU reagiert rechtspopulistisch.
Linke und Grüne fordern den Rückzug des Rechtsaußen-Abgeordneten der AfD, Detlev Spangenberg. Die Partei lehnt das ab, Spangenberg auch.
Im Landtag gab es klare Regeln: keine Kooperation mit der NPD. Jetzt sitzt dort die AfD. Und die Fraktionen diskutieren wieder: Was tun mit dieser Partei?
Um eine Koalition zu bilden, will Sachsens Ministerpräsident Tillich mit SPD und Grünen verhandeln. Eine Zusammenarbeit mit der AfD schließt er hingegen aus.