taz.de -- Gedenken an Pavlos Fyssas: Erinnern und kämpfen
Tausende Menschen gedenken des antifaschistischen Rappers, der vor einem Jahr von Neonazis ermordet wurde. In Athen kommt es dabei zu Krawallen.
ATHEN afp/ap | Mit mehreren Gedenkveranstaltungen in griechischen Großstädten haben tausende Menschen an die Ermordung des antifaschistischen Musikers Pavlos Fyssas vor einem Jahr erinnert. Nach Polizeiangaben kamen am Donnerstag allein in Athen mehr als 6.000 Teilnehmer zu einer Kundgebung im Arbeiterviertel Keratsini zusammen, wo der 34-Jährige von einem Rechtsextremen erstochen worden war. Eine ähnliche Zahl an Demonstranten kam in der zweitgrößten griechischen Stadt Thessaloniki zusammen. In Keratsini wurde im Beisein der Hinterbliebenen eine Gedenkplakette am damaligen Tatort enthüllt, Schüler hatten zuvor Blumen zu Ehren von Fyssas niedergelegt. Am Freitag soll ein Konzert vor dem Athener Parlament die Gedenkveranstaltungen fortsetzen. Für Samstag ist ein antifaschistisches Festival geplant.
Am Rande der Demonstration in Keratsini kam es zu Zusammenstößen zwischen Jugendlichen und der Polizei. Hunderte Demonstranten schleuderten Molotowcocktails auf Beamte, schmissen Ladenfenster ein und setzten Mülleimer in Brand, um damit Barrikaden zu errichten. Die Polizei setzte Tränengas ein. Mehr als 50 Personenwurden festgenommen.
Fyssas war am 18. September 2013 von einem Mitglied der rechtsextremen Partei Chrysi Avgi („Goldene Morgenröte“) [1][erstochen worden], die für ausländerfeindliche Attacken und Übergriffe auf Linksaktivisten bekannt ist. Die Ermordung des Rappers hatte nicht nur Griechenland erschüttert, sondern auch über die Landesgrenzen hinaus für Schlagzeilen gesorgt. Die Tat [2][nötigte die Behörden erstmals zum Durchgreifen gegen die Neonazi-Partei], nachdem sie deren Treiben jahrelang zugesehen hatten.
Weckruf für den Staat
Bis Jahresende soll 78 Verdächtigen der [3][Prozess] gemacht werden, darunter mehreren Polizisten. Die gesamte Parteispitze sitzt derzeit in Untersuchungshaft. Parteichef Nikos Michaloliakos und weiteren führenden Vertretern der Partei wird „Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation“ vorgeworfen. Ermittlungen ergaben zudem direkte Verbindungen zwischen der Goldenen Morgenröte und der Athener Polizei, wie die Zeitung Kathimerini am Donnerstag berichtete.
Die Partei wurde in den 1980er Jahren auf Basis der ausländerfeindlichen und antisemitischen Ideologie von Michaloliakos gegründet, der aus seiner Bewunderung für Adolf Hitler keinen Hehl macht. 2012 leugnete er die Verantwortung der Nazis für den Mord an sechs Millionen europäischen Juden. In den vergangenen Monaten wurden mehrere Fotos in griechischen Medien veröffentlicht, auf denen Michaloliakos den Nazigruß zeigt.
Bei der Europawahl Ende Mai war Chrysi Avgi zur drittstärksten politischen Kraft in Griechenland nach der Linksallianz Syriza und der rechtskonservativen Nea Dimokratia aufgerückt. Die Neonazi-Partei erhielt damals 9,3 Prozent der Stimmen.
19 Sep 2014
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