taz.de -- Wahlen in Bosnien-Herzegowina: Nationalisten siegen
Muslimische und serbische Nationalisten gewinnen die Parlaments- und Präsidentschaftswahl in Bosnien. Experten sind entsetzt und fürchten neue soziale Unruhen.
SARAJEVO dpa | Die muslimischen und serbischen Nationalisten haben die Parlaments- und Präsidentenwahl in Bosnien-Herzegowina am Sonntag für sich entschieden. Bei der muslimischen Bevölkerungsmehrheit wurde die größte Partei SDA erneut stärkste Kraft, berichtete die staatliche Wahlkommission am Montag in Sarajevo. Bei den Serben als zweitgrößter Bevölkerungsgruppe konnte sich die extremistische langjährige Regierungspartei SNSD behaupten. Die Wahlbeteiligung erreichte mit 54 Prozent einen Negativrekord.
Heimische Analytiker zeigten sich entsetzt, „dass wieder diejenigen gewählt wurden, die das Land in diese Lage geführt hatten“. Erinnert wurde an die extreme Arbeitslosigkeit, die darniederliegende Wirtschaft und die soziale Not breiter Bevölkerungsschichten.
Sollte sich die Lage nicht schnell ändern, drohten soziale Unruhen wie im vergangenen Februar, als Regierungsgebäude in Flammen aufgingen. Fraglich sei, ob die Politiker, die teilweise zwei Jahrzehnte an der Macht sind, dazu willens und in der Lage seien.
Noch unübersichtlich war die Lage im serbischen Landesteil, wo sich Regierung und Opposition ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten. Weil auch 20 Stunden nach Schließung der Wahllokale immer noch nicht alle Stimmzettel ausgewertet worden seien, könnten sich dort noch Änderungen ergeben, stellte die Wahlkommission in Aussicht.
13 Oct 2014
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