taz.de -- Kommentar Bischofsynode in Rom: Die katholische Doppelmoral

Im Vatikan tagten die Bischöfe zu den Themen Ehe und Familie. Sie zeigten einmal mehr, wie weit sie vom Alltag der Menschen entfernt sind.
Bild: Wie in einem Parallel-Universum: die Bischofssynode in Rom.

Im Vatikan hat hochwichtig die Sondersynode zu Ehe und Familie getagt – und wen interessiert es? Niemanden. Noch nicht einmal die Bischöfe selbst. Der katholische Alltag in Deutschland ist vom Schlussdokument aus Rom so weit entfernt, dass der Begriff „Paralleluniversum“ noch untertrieben ist.

Ein paar Beispiele: In einer Kleinstadt in Nordhessen weiß jeder, dass der örtliche Priester mit der Leiterin des städtischen Kindergartens liiert ist. Dazu muss man nicht durchs Schlüsselloch gucken: Die beiden sind ein Paar – und benehmen sich wie ein Paar. Unvorstellbar, dass der zuständige Bischof nicht darüber informiert ist, dass der Begriff „Zölibat“ hier sehr modern interpretiert wird.

Die katholische Kirche ist außerordentlich knauserig, wer ihr Abendmahl empfangen darf. Protestanten sind genauso wenig zugelassen wie Geschiedene. Offiziell. Vor Ort sind die katholischen Priester sehr pragmatisch und froh, wenn sich ihre Kirche überhaupt füllt.

Besonders skurril ist der Umgang mit der Homosexualität. Denn in keiner anderen Institution sammeln sich so viele Schwule wie in der katholischen Kirche. Die Schätzungen schwanken nur noch, ob 25 oder gar 50 Prozent der Priester gleichgeschlechtlich lieben. Doch statt offen mit der eigenen Sexualität umzugehen, wird sie offiziell zur Sünde erklärt.

Die katholische Kirche ist bigott und lebt eine Doppelmoral. Mit einer einzigen Ausnahme: Lehre und Praxis decken sich komplett, sobald es darum geht, die Frauen von der Macht fernzuhalten. Nur Männer dürfen Priester sein, und an diese Vorschrift hält sich die männliche Kirchenhierarchie geschlossen und gnadenlos.

Die katholische Kirche sagt, sie sei eine Religion. In Wahrheit ist sie eine Karriereoption für Männer, die sich eine Sondergalaxie geschaffen haben.

19 Oct 2014

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Ulrike Herrmann

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