taz.de -- Kommentar Massenprotest in Rom: Rote Fahnen gegen Renzi

Tausende demonstrierten gegen den Angriff auf den Kündigungsschutz. Mit der Arbeitsmarktreform droht der Premier seine Partei zu spalten.
Bild: Sind auf Renzi sauer: Gewerkschaftsmitglieder beim Massenprotest in Rom

Am Samstag erlebte Italien ein Novum: Hunderttausende Menschen, womöglich gar eine Million, zogen auf die Straße, unter roten Fahnen, um gegen die Regierung zu protestieren. Gegen eine Regierung allerdings, deren Chef nicht Silvio Berlusconi heißt, sondern Matteo Renzi. Gegen eine Regierung, in der die gemäßigt linke Partito Democratico (PD) die dominierende Kraft ist.

Forsch wie immer hatte Renzi selbst diesen Konflikt gesucht, mit seiner Arbeitsmarktreform, vorneweg mit seinem Frontalangriff auf den Kündigungsschutz. Und insgeheim dürfte er sich über den heftigen Protest freuen: Für ihn der Beweis, dass er sich – ganz wie seine Vorbilder Blair und Schröder – weder von innerparteilichen Minderheiten noch von den Gewerkschaften konditionieren lässt.

Weniger freuen dürfte ihn allerdings, dass die Demo dann doch viel größer wurde als allgemein erwartet. Auch der vom Regierungschef immer wieder als konservative Wagenburg geschmähte Gewerkschaftsbund CGIL darf sich als Sieger fühlen. An seiner Seite demonstrierten Abertausende Prekäre, Schüler, Studenten: ebenjene, deren Interessen die Regierung angeblich gegen die „ewig gestrige“ Gewerkschaft verteidigt.

Auf seine Weise hat der Protesttag mit Renzi und der CGIL zwei Sieger – aber auch einen Verlierer: die PD. Der Riss in der Partei, in ihrer Wählerschaft vertieft sich weiter. Der Marsch der Million von Rom könnte schnell zum Abmarsch aus der PD werden.

Renzi unternimmt einstweilen nichts, um diesen Abmarsch aufzuhalten. Doch am Samstag wurde deutlich: Es wären nicht bloß ein paar abgehalfterte Führer der linken Minderheitsflügel in der PD, nicht eine Handvoll unpopuläre Gewerkschaftsbosse, auf die er dann verzichten müsste, sondern auch ein guter Teil der traditionellen linken Wählerschaft.

26 Oct 2014

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Michael Braun

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