taz.de -- Kommentar Streit um Tempelberg: Terror in neuem Gewand

Die Schüsse auf einen Rabbi in Jerusalem folgen einem neuen Muster. Die Zwei-Klassen-Gesellschaft bietet den Nährboden der Gewalt.
Bild: Ein israelischer Soldat sucht in der Altstadt Jerusalems nach seinem Ziel.

Der [1][Mordanschlag gegen den jüdischen Tempelberg-Aktivisten Jehuda Glick] zeugt von einer neuen Qualität des palästinensischen Widerstands gegen die israelische Besatzung.

Bislang folgten fast alle Terroranschläge in zwei Punkten einem wiederkehrenden Muster: zum einen die Willkür bei der Wahl der Opfer, zum anderen die Bereitschaft, selbst mit in den Tod zu gehen. Die Schüsse am Mittwochabend aber galten niemand anderem als Jehuda Glick. Sein Tod sollte die radikal jüdischen Kräfte stoppen oder jedenfalls einschüchtern, denen der Sturm des Tempelbergs vorschwebt. Und: Der Anschlag war geplant, der Schütze hoffte, unerkannt zu entkommen.

Die Methode des Überfalls, bei dem der Täter auf einem Motorrad kam und dann die Pistole zückte, um aus unmittelbarer Nähe mehrere Schüsse abzugeben, erinnert eher an Bandenkriege als an den palästinensischen Widerstand. Schon kommt Hoffnung auf, die radikalen Siedler und die palästinensischen Kämpfer könnten, ähnlich wie Kriminelle und Polizei, die Sache unter sich ausmachen und den Rest der Leute außen vor lassen.

Man wünscht sich, dass nur keine Babys mehr überfahren werden, [2][wie vor wenigen Tagen aus vermutlich den gleichen, terroristischen Gründen]. Doch in beiden Fällen ging es bei der Gewalt um politische Ziele, in beiden fühlten sich die Täter als vom eigenen Volk beauftragt. Terror ist Terror.

Die einzige Hoffnung, dem Terror ein Ende zu machen, ist, den Nährboden für die politische Gewalt auszudörren. Für Besatzungsmacht und besetztes Volk gelten zweierlei Recht, was besonders schmerzlich für die Palästinenser in Jerusalem spürbar wird. In der de facto geteilten Stadt der beiden Völker, die Israel gänzlich für sich beansprucht, sind Muslime und Christen Bürger zweiter Klasse.

30 Oct 2014

LINKS

[1] /Streit-um-Tempelberg/!148600/
[2] /!148215/

AUTOREN

Susanne Knaul

TAGS

Israel
Jerusalem
Palästinenser
Tempelberg
Mordanschlag
Palästinenser
Israel
Israel
Ramallah
Israel
Israel
Palästina
Israel
Israel
Israel

ARTIKEL ZUM THEMA

Gewalt in Gaza und Jerusalem: Gezielte Anschläge auf Fatah

Im Gazastreifen trifft eine Serie von Anschlägen Führungsmitglieder der Fatah. In Jerusalem erliegt ein Opfer des jüngsten Anschlags dort seinen Verletzungen.

Gewalt in Jerusalem: Tote und Verletzte bei Autoanschlag

Ein Palästinenser fährt in Jerusalem in eine Gruppe: ein Toter und 13 Verletzte. Der Fahrer wird erschossen. Auch am Tempelberg kommt zu schweren Zusammenstößen.

Raketenbeschuss in Israel: Grenze zu Gaza geschlossen

Nachdem zwei Raketen aus dem Gaza-Streifen abgefeuert wurden, schloss Israel die Grenzübergänge. Hingegen ist der Tempelberg in Jerusalem wieder zugänglich.

Mail aus Jerusalem, Teil 2: Die Suche

Angst vor der Zukunft und Sprachlosigkeit sind in Jerusalem allgegenwärtig? Was hilft dagegen? Sich einfach mal wegträumen?

Vereinzelt Ausschreitungen in Jerusalem: „Tag des Zorns“ fällt aus

Die Fatah hatte zum „Tag des Zorns“ gerufen. Einige Palästinenser versuchten den abgesperrten Tempelberg zu erreichen. Trotzdem blieb es in Jerusalem relativ ruhig.

Israel öffnet Tempelberg wieder: Fatah ruft zu „Tag des Zorns“ auf

Auf dem Tempelberg soll wieder das muslimische Freitagsgebet stattfinden können. Die palästinensische Fatah mobilisiert zu Protesten.

Eigener Staat für Palästinenser: Schweden vollzieht Anerkennung

Schweden lässt sich nicht von der Anerkennung Palästinas als Staat abbringen. Der einseitige Akt lenkt den Blick auf die völlig verfahrene Lage.

Streit um Tempelberg: Anschlag auf jüdischen Aktivisten

Ein Rabbi, der sich dafür einsetzt, dass neben Muslimen auch Juden auf dem Tempelberg in Jerusalem beten dürfen, wurde angeschossen. Ein Verdächtiger ist tot.

Mutmaßlicher Anschlag in Israel: Autofahrer rast in Haltestelle

Ein Mann ist mit seinem Auto in eine Jerusalemer Straßenbahnhaltestelle gefahren. Ein Baby stirbt, mehrere Menschen werden verletzt.

Konflikt zwischen Israel und Palästina: Unruhen in Jerusalem dauern an

Fast vier Monate nach dem Mord an einem palästinensischen Jugendlichen kommt es regelmäßig zu Gewalt zwischen Palästinensern und Juden.