taz.de -- Zukunft der Logistik: Die Drohnen heben ab

Während Amazon träumt, beliefert die Deutsche Post mit ihrem Paketkopter bereits die Nordseeinsel Juist. Ein Zwischenfazit.
Bild: Unpersönlicher Paketlieferservice auf Juist.

BERLIN taz | Wenn der Chef eines kalifornischen Internet- und Versandhandelskonzerns träumt, ist die Internetöffentlichkeit in heller Aufregung; aber wenn ein deutscher Logistikkonzern an der Nordsee tatsächlich etwas Revolutionäres ausprobiert, kommt das Lokalfernsehen. So lässt sich die mediale Aufmerksamkeit über die Idee zusammenfassen, Pakete mithilfe von Drohnen auszuliefern. Vor knapp einem Jahr verkündete Amazon-Chef Jeff Bezos seine Vision, deren Verwirklichung über Tests nicht hinausgekommen ist. Anders die Deutsche Post DHL: Sie testet ihren Paketkopter seit September im Linienflug zwischen dem friesischen Norden und der Nordseeinsel Juist. Am Dienstag zog der Konzern in Norden Zwischenbilanz.

„Unser Fazit ist absolut positiv“, sagte Andrej Busch, Europachef der Paketsparte. Weltweit erstmalig seien autonome Kopterflüge im Paketdienst durchgeführt worden. In zwei Fällen seien sogar dringend benötigte Medikamente auf die Insel geliefert worden.

Wenn es die Wetterbedingungen zuließen, startete die Drohne jeden Nachmittag vom Festland, um Medikamente zur Inselapotheke zu liefern. Maximal 1,2 Kilogramm kann das Fluggerät transportieren. Die Drohne fliegt per Autopilot auf einer zuvor festgelegten Route; während des Fluges wird sie von Spezialisten in einer mobilen Bodenstation überwacht. Sie können im Notfall eingreifen. Für den Kopter wird ein Luftkorridor über unbewohntem Gebiet freigehalten, der 100 Meter hoch und 500 Meter breit ist.

Laut Aussage der Post gab es bislang keine Probleme mit Vögeln im Nationalpark Wattenmeer. Schwierigkeiten bereitete allerdings böiger Seitenwind. Der Linientestflug soll noch bis zum Jahresende fortgesetzt werden. Ob es danach dort weitergeht oder weitere Strecken ausprobiert werden, steht nicht fest. Die Post sieht aber in dem Gerät eine Chance, in entlegenen Gebieten eine Notfallversorgung zu ermöglichen.

Ein Paketzustelldienst im privaten Massenmarkt, wie es Amazon-Chef Bezos vorschwebt, scheint auf absehbare Zeit wenig realistisch. Dafür sind zu viele technische und rechtliche Fragen offen. Allerdings werden schon heute, etwa in den USA, Drohnen gewerblich genutzt: Bauern überwachen den Reifegrad ihrer Feldfrüchte, Nachrichtensender machen Fernsehbilder, Immobilienmakler schießen Luftaufnahmen.

Die EU-Kommission fordert einen neuen Rechtsrahmen für den Betrieb ziviler Drohnen. „Die neuen Normen und Vorschriften betreffen die Bereiche technische Sicherheit, Gefahrenabwehr, Schutz der Privatsphäre, Datenschutz, Versicherung und Haftung“, heißt es. Derzeit führt die Behörde eine Folgeabschätzung durch; ab dem Jahr 2016 könne die schrittweise Integration in den Luftraum erfolgen.

18 Nov 2014

AUTOREN

Richard Rother

TAGS

Drohnen
DHL
Pakete
Logistik
Logistik
Verdi
Paris
Nordsee
Streitfrage
Streitfrage
Estland
Google
AKW
Fußball
Drohnen

ARTIKEL ZUM THEMA

Bremer Logistik-Zentrum am Ende: Es hat sich ausgepackt

DHL hat dem einzigen Kunden des Bremer Logistik-Zentrums, dem Internethändler Amazon, gekündigt. 350 MitarbeiterInnen verlieren ihren Arbeitsplatz

Kommentar Streiks bei Post und Amazon: Der Organisationsgrad entscheidet

Wenn die Zusteller der Post streiken, dann bleibt der Briefkasten leer. Der Arbeitgeber gerät unter Druck. Bei Amazon ist das aber ganz anders.

Drohnen über Paris: Horch, was summt denn da?

Der höchsten Terrorwarnstufe in der französischen Hauptstadt zum Trotz: Abermals sind Drohnen unbekannter Herkunft über Paris gesichtet worden.

Rekorde in Nord- und Ostsee: Warm und salzig

Höchsttemperaturen in der Nordsee und Überlebenshilfe für die Ostsee: 2014 war ein Jahr der Rekorde, stellt das Hamburger Bundesamt BSH fest.

Die Streitfrage: „Pakete von Oma nehme ich an“

Ist es okay, Pakete von Amazon für die Nachbarn anzunehmen, während Verdi streikt? Linke-Chef Bernd Riexinger sagt nein.

Die Streitfrage: Paketannahme verweigern?

Amazon, Zalando, Ebay: Gerade vor Weihnachten klingelt der Paketbote fast täglich. Das nervt. Wer annimmt, hilft Konzernen. Oder?

E-Staatsbürgerschaft in Estland: Die Esten exportieren sich selbst

Seit 15 Jahren besitzt Estland eine einzigartige virtuelle Infrastruktur. Ab Dezember kann jeder darauf zugreifen, man muss nur E-Este werden.

Maut, Gesundheitskarten, DHL-Drohnen: Dichtes Überwachungsnetz

Es gibt eine Reihe von Technologieprojekten, die nützlich erscheinen. Doch mit ihnen entsteht eine Infrastruktur, die leicht zu missbrauchen ist.

Sicherheit von Atommeilern in Frankreich: Drohnen, die über Reaktoren fliegen

Erneut wird ein französisches AKW von einer Drohne überflogen. Seit Oktober wurden rund 15 derartige Fälle gezählt. Wer dahintersteckt, ist unklar.

Uefa-Urteil zum Drohnenspiel: Punktloser Sieg für Serbien

Das EM-Qualifikationspiel Serbien gegen Albanien wurde abgebrochen, weil eine Drohne mit großalbanischer Flagge über dem Feld flog. Die Uefa bestraft beide Verbände.

DHL testet Drohne an der Nordsee: Luftbrücke nach Juist

Eine Paket-Drohne soll im Linienbetrieb eine Apotheke auf der Insel Juist beliefern. Der Logistiker DHL testet in einem Feldversuch, was machbar ist.