taz.de -- Einwanderung nach Deutschland: Der Sozialstaat profitiert
Migration belastet die Sozialkassen? Von wegen, sagt eine Bertelsmann-Studie: Für Deutschland ist Einwanderung ein Gewinngeschäft.
BERLIN taz | Viele Deutsche sind der Meinung, dass Migration unter dem Strich die Sozialkassen belastet. Doch in Deutschland lebende Ausländer sorgen für ein erhebliches Plus in den Sozialkassen. Dies ergab eine am Donnerstag veröffentlichte Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), die im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung erstellt wurde.
Laut der Studie zahlte im Jahre 2012 jeder in Deutschland lebende Ausländer beziehungsweise jede Ausländerin durchschnittlich 3.300 Euro mehr an Steuern und Sozialabgaben, als er oder sie an staatlichen oder Sozialversicherungsleistungen erhielt. Dieser Saldo ist seit dem Jahre 2004 angestiegen, damals betrug er nur 2.000 Euro.
Der Saldo aus Einzahlungen und Transferleistungen liegt bei den Deutschen allerdings etwas höher und betrug 4.000 Euro im Jahre 2012. In der Studie wird das auf die bessere Qualifikation und die höheren Einkommen der Deutschen zurückgeführt. Die positive Bilanz liege „vor allem an der guten Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt“, sagte Ulrich Kober, Migrationsexperte bei der Bertelsmann-Stiftung. Die Arbeitslosigkeit unter Migranten ist in den vergangenen Jahren ebenso wie die Erwerbslosigkeit unter Deutschen deutlich zurückgegangen.
In die Bilanz einbezogen waren 6,6 Millionen Menschen mit ausländischem Pass. Leute mit deutschem Pass und Migrationshintergrund, die als besonders gut integriert gelten, sind in der Studie gar nicht erfasst. Zur Zeit der Erhebung, 2012, kamen auch noch, relativ gesehen, weniger Asylbewerber nach Deutschland.
Besser qualifizierte Zuwanderer = mehr Gewinn
Das Ergebnis der Studie steht im Gegensatz zu einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahre 2012, die die „gefühlte“ Belastung der Sozialkassen durch Migranten erhob. Damals waren zwei Drittel der Deutschen überzeugt, dass Migration die Sozialkassen belaste.
„Je besser qualifiziert die Zuwanderer, desto höher ihr Beitrag zur Finanzierung der öffentlichen Kassen“, sagte der Autor der Studie, Holger Bonin vom ZEW. Die Voraussetzung für einen positiven Effekt künftiger Zuwanderung in der Gesamtbilanz der öffentlichen Haushalte sei, dass die in Zukunft nach Deutschland kommenden Migranten ein mittleres Qualifikationsniveau erreichten, heißt es in der Studie. Die Zuwanderer müssten damit mehrheitlich eine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen.
Bonin macht dazu eine Rechnung zur fiskalischen Entlastung auf, in die auch Staatsausgaben wie Straßenbau und Verteidigung einfließen, die also nicht mit dem Saldo aus Sozialabgaben und Transferzahlungen vergleichbar sind. Wenn jährlich etwa 200.000 Personen neu nach Deutschland kämen, aber im Schnitt nur die gleiche Qualifikation aufweisen wie AusländerInnen im Jahr 2012, wäre die fiskalische Entlastung künftig negativ und „die einheimische Bevölkerung durch weitere Zuwanderung belastet“, heißt es in der Studie. Bei einer einheitlich mittleren Qualifikation der Migranten käme es hingegen zu einer Entlastung von 264 Euro pro Kopf und Jahr in Deutschland.
27 Nov 2014
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