taz.de -- Angst vor dem Virus: Eine Ente macht noch keine Pest

Stallpflicht für Geflügel soll verhindern, dass Wildvögel das H5N8-Virus verbreiten. Dass sie das überhaupt tun, ist aber gar nicht sicher.
Bild: Wer weiß schon genau, was die mitbringen? Enten im Landeanflug.

BREMEN taz | Eine einzige mit dem Virus H5N8 infizierte Krickente hat ganz Norddeutschland Stallpflicht fürs Geflügel beschert. Mecklenburg-Vorpommern hat als erstes Bundesland seine Nutzvögel bislang flächendeckend weggesperrt.

In Schleswig-Holstein und Niedersachsen haben die Grünen-Landwirtschaftsminister den Landkreisen per Erlass die Entscheidung überlassen, in näher definierten „Risikogebieten“ die Stallpflicht zu verfügen. Sie folgen damit einer Risikobewertung des Friedrich-Löffler-Instituts (FLI).

Während Minister Robert Habeck in Kiel erklärte, „eine Übertragung des Geflügelpest-Erregers durch Wasservögel“ sei „wahrscheinlich“, folgte sein hannöverscher Kollege Christian Meyer dem Ratschlag des Instituts am Mittwoch etwas widerstrebend: „Uns ist wichtig, dass der Grundsatz ’So wenig Einschränkung wie möglich‘ befolgt wird“, so Meyers Sprecher Klaus Jongeblod. „Es ist nicht gesichert, dass Zugvögel für die Ausbreitung der Krankheit verantwortlich sind.“

Eben auf dieser Annahme aber basiert die Empfehlung des FLI: Drei Wochen nach dem ersten Vogelpestausbruch in einer Putenmastanlage im Kreis Greifswald hatte das Bundesforschungsinstitut eine auf Rügen abgeschossene Krickente positiv getestet. Ob das Tier erkrankt war oder nur vom Erreger besiedelt, ist ungewiss.

Es sei bislang das einzige Wildtier, in dessen Kadaver das FLI den H5N8-Erreger hat finden können, bestätigte Institutssprecherin Elke Reinking. „Die genaue Einschleppungsursache in Mecklenburg-Vorpommern ist noch nicht geklärt“, sagte Reinking. Die Stallpflicht sei „derzeit die einzige Möglichkeit, einen Eintrag des Virus aus dem Wildvogelbereich zu unterbinden“.

Eigentlich lasse sich „die Stallpflicht nicht nachvollziehen“, kritisierte Eckehard Niemann, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, die Maßnahmen. Zwar könne er „gut verstehen, dass man sich als verantwortlicher Minister nicht gegen den Rat eines Bundesinstituts stellt“, angesichts der Beweislage habe er sich über die offizielle Risikobewertung jedoch „gewundert“, so Niemann.

Noch deutlicher wird Werner Hupperich vom unabhängigen Wissenschaftsforum Aviäre Influenza (WAI): „Wenn wir etwas brauchen, dann doch wohl einen Schutz der Wildtiere vor Austrägen aus industriellen Stallanlagen.“ Nur dort gebe es Krankheitsausbrüche, nur dort sei der Erreger in größerem Maßstab nachgewiesen. Die Stallpflicht bewertet Hupperich als „bloße Gängelei der Freilandhalter“.

Für die wird es tatsächlich schwer, ihre Lieferverträge zu erfüllen. Zwar gibt es Karenzfristen von drei Monaten, während derer die Eier eingestallter Freiland- und Öko-Hühner das Label 0 respektive 1 behalten, das aber reicht nicht allen Großabnehmern. Noch schwieriger wird es etwa für Straußenfarmer – eine Stallhaltung der Laufvögel gilt als unmöglich – oder Gänsehirten.

„Kein Problem mit der Stallpflicht haben dagegen die Betreiber von Großanlagen mit Intensivtierhaltung“, so Hupperich: „Dort wo die Krankheit auftritt, ändert sich nix.“ „Jedenfalls ist es wissenschaftlich völlig unseriös, von einem einzigen positiv getesteten Individuum auf eine Prävalenz des Erregers bei Zugvögeln zu schließen.“ Die gebe es nach naturwissenschaftlichen Kriterien nicht.

Tatsächlich war die Geflügelpest Anfang des Monats in einer Putenmastanlage in Vorpommern ausgebrochen – vermutlich lange, bevor die Krickente Deutschland erreichte. In dem Stall zu Heinrichswalde starben 900 Tiere schon bald nach Auftreten erster Symptome – „zum größten Teil schon, bevor unsere Leute da angerückt waren“, so Reinking. Die entnommen Proben waren ausnahmslos H5N8-positiv, 31.000 Truthähne wurden vernichtet.

Wie das Virus, das genetisch nahezu identisch mit dem ist, das die aktuelle Geflügelpest-Epidemie in Südkorea ausgelöst hat, in diese abgeriegelte Anlage eindringen konnte? „Keinen direkten Kontakt“ habe es mit Wildtieren gegeben, sagt die FLI-Sprecherin. Indirekt wäre er etwa über Futter, Einstreu oder Wasser möglich. Auch untersuche man Transport- und Personenbewegungen. So werde genau auf die Herkunft des Futters und der Putenküken geschaut.

28 Nov 2014

AUTOREN

Benno Schirrmeister

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