taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Online ist's nicht halb so schön

Im Internet Supermarkt-Krams einkaufen? Klingt gut, hat aber auch Tücken. Zum Beispiel: Lohnt es sich, mit dem Fahrrad zur Waschanlage zu fahren?
Bild: Vorsicht: Beim offline-Shoppen kann man auf Prominente treffen

Was für eine Freude, am Samstagvormittag den Motor anzulassen. Meine 70 PS lassen ein tiefes Brummen hören. Ich fahre einkaufen. Sowieso steht der Wagen die ganze Woche vor der Tür. Man muss ihn bewegen. Glücklicherweise verfügt der Supermarkt in Kreuzberg über eine Tiefgarage. Bei der Ausfahrt eine Stunde später hupe ich ein bisschen rum. Man kommt kaum vorwärts – zu viel Betrieb. Mein Laune trübt das nicht.

Denn das Beste habe ich noch vor mir: Jetzt fahre ich zur Waschanlage. Der Lack braucht Pflege. So hat schon weiland mein Vater seine Samstagvormittage gestaltet. Nur musste er selbst schrubben. Ich dagegen schaue heute entspannt den großen Bürsten bei ihrer Arbeit zu.

Doch irgendwann platzte eine Idee in die Idylle: Man könnte doch Lebensmittel im Internet einkaufen und sie nach Hause liefern lassen. Als aufgeschlossener Mensch konnte ich mich der Anregung meines Umfeldes nicht entziehen. Also Testphase Onlineeinkauf. Was mich sofort begeisterte, war das umfangreiche Produktangebot, das den realen Supermarkt bei Weitem in den Schatten stellte. Laktosefreie Bio-Salami oder koscherer Fairtrade-Senf – kein Problem.

Zweifel allerdings beschlichen mich, als der Kurierfahrer mit dem Wocheneinkauf in unserer Küche stand. Quasi jede einzelne Tomate und jede Mango steckten in extra Plastiktüten, die, in Transportkisten aufgehängt, die Ware unbeschädigt ans Ziel bringen sollen. Zur Müllvermeidung schien mir der Kauf nicht beizutragen.

Am Frühstückstisch

Als wir das Problem am Frühstückstisch diskutierten, sagten meine Kinder: Wenigstens fährst du jetzt nicht mehr den einen Kilometer zum Geschäft mit dem Auto. Das stimmt. Meine samstägliche Fahrt fällt weg. Das spart klimaschädliche Kohlendioxid-Emissionen. Dagegen muss man aber die Abgase des Kurier-Lkws einkalkulieren. Weil der jedoch nicht nur uns beliefert, sondern auf derselben Tour auch Dutzende anderer Onlinekunden, die ebenfalls ihre Fahrzeuge stehen lassen, könnte die Ökobilanz unter dem Strich positiv ausfallen.

Dazu passt, dass Deutsche Post DHL den Versand eines Pakets über ihr Zustellsystem mit weniger als 500 Gramm Treibhausgas-Ausstoß beziffert. Laut Öko-Institut Darmstadt verursachen durchschnittliche Konsumenten bei ihren Einkaufsfahrten mit dem eigenen Wagen deutlich mehr Luftverpestung als 500 Gramm.

Trotzdem ist der Öko-Vorteil des Lebensmittelkaufs im Netz damit noch nicht bewiesen. Wenn der Kurierfahrer bei uns zu Hause niemanden antrifft und ein zweites Mal kommen muss, verdoppelt sich sein CO2-Ausstoß. Außerdem sichern manche Lieferservices der Lebensmittelketten mittlerweile die Lieferung am gleichen Tag zu. Weil dann nicht genug Pakete im selben Zustellbezirk zusammenkommen, fahren die Kuriere halbleer. Die Ökobilanz verschlechtert sich.

Im Übrigen hat Einkaufen nicht nur Umweltaspekte, sondern auch ökonomische, kulturelle und soziale. Wollen wir den Onlinekonzernen die Straße teeren, damit sie allen normalen Geschäften in unserer Umgebung den Garaus machen?

So erscheint es gesellschaftlich doch sinnvoll, dass ich mit dem Auto zum Supermarkt fahre. Zwar ließe sich der Weg auch mit dem Rad bewältigen. Aber die Gegenargumente liegen auf der Hand: die schweren Saftflaschen, die sperrige Toilettenpapier-Packung, das voluminöse Katzenfutter. Außerdem hat es keinen Sinn, mit dem Fahrrad in die Waschanlage zu fahren.

6 Dec 2014

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Hannes Koch

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