taz.de -- Neues Einwanderungsgesetz in Israel: Verfassungsbeschwerde angekündigt

Das israelische Parlament ändert die Regelungen für Flüchtlinge. Die Internierung wird verkürzt, das Beschäftigungsverbot bleibt.
Bild: Israels Premierminister Netanyahu in der Knesset.

JERUSALEM afp | Israelische Bürgerrechtler haben am Dienstag eine Verfassungsbeschwerde gegen die Neufassung des Gesetzes zum Kampf gegen illegale Einwanderung angekündigt, das bereits zweimal vom Obersten Gerichtshof außer Kraft gesetzt wurde. Schon am Vorabend verabschiedete das Parlament eine gelockerte Version der Regelungen zur Internierung von Flüchtlingen. Kurz danach löste sich die Knesset wegen einer Regierungskrise auf und beschloss Neuwahlen.

Die beiden ersten Einwanderungsgesetze waren vom Obersten Gerichtshof des Landes für verfassungswidrig erklärt worden, weil sie aus Sicht der Richter die Grundrechte auf Freiheit und Würde verletzten. Die jetzt angenommene Version sieht vor, dass illegal Eingewanderte drei Monate lang statt wie bisher ein Jahr ins Gefängnis gesteckt werden können. Im Anschluss müssen sie bis zu zwanzig Monate statt wie bislang unbefristet im offenen Internierungslager Holot übernachten, das abgelegen in der Negevwüste liegt.

Auch Flüchtlinge, die schon länger in Israel sind, können nach Holot eingewiesen werden, wo derzeit 2.200 Afrikaner interniert sind. Anders als bisher müssen sich die dortigen Insassen künftig nur noch einmal täglich und nicht mehr drei Mal zum Zählappell melden. Für sie gilt zudem weiterhin ein Beschäftigungsverbot.

Das neue Gesetz wurde von der Knesset in ihrem letzten Votum vor der Selbstauflösung mit einfacher Mehrheit von 47 gegen 23 Stimmen angenommen. Dies wurde möglich, weil die meisten Abgeordneten der beiden aus der Koalition ausgescherten Fraktionen den Abstimmungen fernblieben. Die Gruppe Notruf für Flüchtlinge und eine weitere israelische Bürgerrechtsorganisation, die zusammen bereits die beiden ersten „Antiinfiltrations“-Gesetze zu Fall gebracht hatten, kündigten eine neue Anrufung des Obersten Gerichtshofs an.

In Israel leben derzeit rund 48.000 Afrikaner, die fast alle aus Eritrea und dem Sudan stammen, wohin sie nach internationaler Rechtspraxis wegen der dort drohenden Verfolgung nicht abgeschoben werden. Weil sich viele von ihnen unter ärmlichsten Bedingungen im Süden von Tel Aviv konzentrieren, kommt es dort immer wieder zu Protesten von Anwohnern.

Mit Internierungen und dem Entzug der Arbeitserlaubnis versucht die Regierung, die Eritreer und Sudanesen zur Ausreise in Drittländer zu drängen. Inzwischen gaben 6.000 Menschen dem Druck nach und wählten diesen Weg.

10 Dec 2014

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