taz.de -- Kommentar Film „The Interview“: Wovor hat Sony Angst?
Ein paar Hacker aus Nordkorea schreiben einem reichen Konzern vor, wie seine Geschäfte auszusehen haben. Das ist nicht nur ein Warnsignal für die Kunst.
Zugegeben, der Plot hat Lücken, das Böse kein Gesicht, und die Guten sind Weicheier. Trotzdem: Nicht einmal die Geschichte, in der Sony sich erpressen lässt, den Film „The Interview“ nach einer vermutlich von Nordkorea gesteuerten Cyberattacke zurückzuziehen, ist so absurd, dass Hollywood daraus nicht eine Action-Komödie ohne großen Tiefgang hätte stricken können.
Dieser Satz ist allerdings nicht umsonst in der Vergangenheitsform gehalten. Sollte es nämlich tatsächlich so sein, dass ein paar Hacker aus einem bettelarmen Land einem stinkreichen Konzern und der hinter ihm stehenden Weltmacht USA vorschreiben können, wie ihre Geschäfte und ihr Entertainment auszusehen haben, dann ist das nicht nur ein Warnsignal für die Kunst.
Man kann sich jetzt fragen: Wovor hat Sony wirklich Angst? Was haben die Hacker noch erbeutet in den Sony-Rechnern außer E-Mails und Mitarbeiterdaten? Kann sich ein Weltkonzern keine vernünftige Cyberabwehr leisten? Besitzt der Steinzeitstaat Nordkorea tatsächlich das Know-how zu einem solchen High-Tech-Überfall? Würde Kim Jong Un, weil er in einer vermutlich platten Komödie veräppelt wird, tatsächlich Selbstmordattentäter in die Kinosäle schicken?
Zu vieles an diesem Filmstoff ist ungeklärt, noch mehr nachgerade irrwitzig. Eins aber sollte nun dem Allerletzten klar sein: In der schönen neuen Internetwelt werden längst Kriege geführt, in denen die Machtverhältnisse nicht so eindeutig zementiert sind wie auf den klassischen Schlachtfeldern Militär oder Wirtschaft. Diese Cyber-Kriege fordern zwar noch keine Menschenleben, aber erste Opfer haben auch sie zu beklagen. Vorerst nur die Kunstfreiheit. Aber in der Folge stehen auch die Presse-, Meinungs- und alle anderen Freiheiten zur Debatte, auf die wir hier im Westen zu Recht einen gewissen Stolz entwickelt haben.
22 Dec 2014
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