taz.de -- Polizeigewalt in den USA: 14 Schüsse auf einen Unbewaffneten

In Milwaukee wird keine Anklage gegen den Polizisten erhoben, der im April den Schwarzen Dontre Hamilton erschoss. Nun ermittelt das Justizministerium.
Bild: Dontre Hamiltons Mutter, Maria Hamilton (Mitte), protestiert am Montag gemeinsam mit anderen in Milwaukee.

BERLIN taz | Erneut soll ein Fall von tödlicher Polizeigewalt gegen einen unbewaffneten Schwarzen in den USA ohne strafrechtliche Konsequenzen bleiben. Am Montag entschied der Bezirksstaatsanwalt von Milwaukee, den weißen Polizisten Christopher Manney nicht wegen der Tötung des 30-jährigen Schwarzen Dontre Hamilton am 30. April dieses Jahres anzuklagen.

Bereits in den Tagen und Wochen nach dem Vorfall hatten in Milwaukee zahlreichen Menschen bei Mahnwachen und Kundgebungen Gerechtigkeit eingefordert. Jetzt äußerte sich Hamiltons Familie verärgert über die Entscheidung des Staatsanwalts und rief zu friedlichen Protesten auf.

Wie auch in den Fällen des in New York zu Tode gewürgten Eric Garner und des in Missouri erschossenen Michael Brown gab das US-Justizministerium jetzt an, ein eigenes Verfahren zu eröffnen, um zu ermitteln, ob der Polizist die Bürgerrechte Dontre Hamiltons verletzt habe.

Vom Tod Hamiltons gibt es kein Video, aber es gibt recht detaillierte Zeugenaussagen. Am Morgen des 30. April, eines warmen sonnigen Tages, hatten die Mitarbeiter einer Starbucks-Filiale in der Nähe ihres Cafés einen schlafenden Mann bemerkt. Sie riefen die Polizei an, zwei Beamte kamen, sprachen mit Dontre Hamilton und gingen wieder, weil der nichts Ungesetzliches tat. Doch einige Starbucks-Leute fühlten sich unwohl aufgrund seiner Anwesenheit und riefen erneut die Polizei. Die gleichen Beamten kamen noch einmal, sprachen erneut mit Hamilton, belehrten die Starbucks-Angestellten, sie sollten aufhören anzurufen, und gingen wieder.

Nicht versucht, die Situation zu klären

Wenig später erschien ein weiterer Polizist, Christopher Manney. Er hatte den Anruf auf seiner Mailbox gehört, hatte sich nicht erkundigt, ob schon Beamte vor Ort gewesen waren. Ein Mitarbeiter von Starbucks – der mit seinen Kollegen bereits darüber gestritten hatte, warum diese nach dem Besuch der ersten Streife erneut die Polizei gerufen hatten – beobachtete aus dem Fenster, wie es plötzlich ein Handgemenge gab. Er sah, wie Hamilton den Schlagstock des Polizisten abwehrend mit der Hand festhielt.

Manney, so berichtet der Zeuge, habe nicht mit Hamilton gesprochen, nicht versucht, die Situation zu klären. Stattdessen sei er einige Meter zurückgewichen und habe seine Waffe gezogen. In schneller Folge schoss er dann insgesamt 14-mal auf den am Boden kauernden Hamilton. Hamilton starb noch am Tatort.

Der Staatsanwalt befand jetzt, es habe sich eindeutig um Notwehr gehandelt, Manney sei von Hamilton mit seinem eigenen Schlagstock angegriffen worden. Eine Anklage sei insofern substanzlos.

Die Polizei selbst hatte das wohl schon anders gesehen: Bereits im Oktober hatte der Polizeichef von Milwaukee Manney entlassen. Der Polizist war schon früher auffällig geworden.

Dontre Hamilton hatte unter Schizophrenie gelitten. Er war zuvor mehrere Tage ruhelos herumgelaufen. Er hatte niemandem etwas getan, weder vorher, noch an jenem sonnigen Tag, als er sich im Park zum Schlafen legte.

23 Dec 2014

AUTOREN

Bernd Pickert

TAGS

USA
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Waffen
Schwerpunkt Waffen in den USA
Schwerpunkt Rassismus
USA
USA
Schwerpunkt Rassismus
New York
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Rassismus
USA

ARTIKEL ZUM THEMA

Afroamerikaner in Oklahoma erschossen: Pistole mit dem Taser verwechselt

Ein weißer Hilfssheriff schießt auf einen Unbewaffneten, wieder gibt es ein Video. Die Uniform verdiente sich der Schütze durch Spenden an die Polizei.

Erschossener schwarzer Mann in den USA: „Wir sind nicht Ferguson“

Nachdem die Polizei in einem Ort nahe Ferguson einen schwarzen Mann erschoss, gibt es nun Proteste. Neben der Polizei will auch die Stadt die Todesschüsse untersuchen.

Polizeigewalt in den USA: Wieder Todesschüsse gegen Schwarzen

18 Jahre alt: Ein junger Mann ist während einer Routinekontrolle von der Polizei erschossen worden. Es gab bereits Zusammenstöße mit Protestierenden.

Polizistenmord in New York: Selbstjustiz mit Publikum

Der Täter, der die Beamten in Bedford-Stuyvesant getötet hat, soll kurz vor den Schüssen Passanten zum Zuschauen aufgefordert haben.

Gewalt in New York: Zwei Polizisten durch Schüsse getötet

Ein 28-jähriger Afroamerikaner tötet in New York zwei Streifenbeamte. Dann erschießt er sich selbst. Ob die Tat eine Reaktion auf Polizeigewalt ist, ist noch völlig unklar.

Demos gegen Polizeigewalt in den USA: „Wie buchstabiert ihr rassistisch?“

„Black Lives Matter“: Das riefen am Wochenende tausende BürgerInnen bei Protestmärschen in mehreren Städten. Die Polizei trat teilweise martialisch auf.

Demonstrationen in den USA: Sterben gegen Polizeigewalt

In Dutzenden von Städten protestieren Menschen gegen Rassismus und Polizeigewalt. Die neuen Proteste haben von der Occupy-Bewegung gelernt.

Kommentar Proteste in den USA: Vollkommenes Justizversagen

In den USA herrscht eine Straflosigkeit in Fällen von Polizeigewalt, wie man sie sonst nur aus korrupten Staaten der sogenannten Dritten Welt kennt.