taz.de -- Wahlrechtsreform im Kongo: Erfolg für die Protestbewegung

Nach vier Tagen Unruhen schreibt das Parlament fest, dass die nächsten Wahlen nicht verschoben werden dürfen. Ein Sieg für die Protestierenden.
Bild: Das Parlamentsgebäude in Kinshasa mit landestypischer Bewachung.

BERLIN taz | Nach tagelangen, mit Gewalt niedergeschlagenen Protesten in der Demokratischen Republik Kongo gegen eine geplante Wahlrechtsreform hat die Regierung von Präsident Joseph Kabila eingelenkt. Der Senat, das Oberhaus des kongolesischen Parlaments, verabschiedete am Freitagmittag das veränderte Wahlgesetz ohne einen eine Woche zuvor vom Unterhaus verabschiedeten umstrittenen Passus, der eine verbindliche Volkszählung vor den nächsten Wahlen vorschreibt und damit die Tür zu einer Wahlverschiebung öffnet.

Stattdessen sollen die Wahlen jetzt lediglich „auf Grundlage der bestehenden demografischen Daten“ sowie ausdrücklich innerhalb der von der Verfassung vorgebenen Frist stattfinden, also spätestens im Dezember 2016.

Proteste vor allem in der Hauptstadt Kinshasa und in der ostkongolesischen Stadt Goma gegen die geplante Wahlrechtsreform hatten seit Montag nach Angaben von Menschenrechtsgruppen 42 Tote gefordert, nach Oppositionsangaben 143.

Nach Bekanntwerden des Senatsbeschlusses kam es an der Universität Kinshasa, dem Herz der Protestbewegung, zu Freudenkundgebungen. Auch in Goma, wo demonstrierende Jugendliche am Freitag früh erneut Hauptstraßen verbarrikadiert hatten, beruhigte sich die Lage. „Wir haben auf die Straße gehört, dies ist eine historische Abstimmung“, sagte Senatspräsident Leon Kengo.

Aber weil die beiden Parlamentskammern unterschiedliche Gesetzestexte verabschiedet haben, muss nun eine Schlichtungskommission einen einheitlichen Text erarbeiten. Da im Streitfall das Unterhaus das letzte Wort hat, besteht die Gefahr, dass die im Senat verabschiedete Fassung doch noch wieder gekippt wird. Für diesen Fall sind für nächste Woche Massenproteste angekündigt, dann mit Beteiligung der politischen Opposition und der katholischen Kirche.

23 Jan 2015

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Dominic Johnson

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