taz.de -- Kommentar Gabriel bei Pegida: Deutsche mit Frustrationshintergrund
Während andere SPDler um Distanz zu Pegida ringen, fährt Vizekanzler Sigmar Gabriel nach Dresden und spricht mit ihnen. Konzept geht anders.
Sigmar Gabriel hat eine gewisse Kunstfertigkeit darin entwickelt, auch Richtiges falsch zu machen. Der SPD-Chef hat in Dresden mit Pegida-Fußvolk diskutiert. Das ist unterstützenswert – denn es hilft, die larmoyante Pegida-Propaganda zu durchkreuzen, dass man „das Volk“ verkörpert, dem mal wieder niemand zuhört. Reden ist in einer zivilen Gesellschaft ein Zeichen von Stärke, nicht von Schwäche.
Ein Kollateralschaden von Gabriels Spontanvisite ist, dass SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi, die zuvor eine scharfe Abgrenzungslinie zu Pegida gezogen hatte, nun wirkt wie ein dummes Huhn. Außenminister Steinmeier warnt, dass Pegida dem deutschen Image schadet, Fahimi ringt um Distanz, Vizekanzler Gabriel fährt – albernerweise als „Privatmann“ – nach Dresden. Konzept geht anders.
Möglicherweise braucht die SPD-Spitze eine Supervision. Klar ist indes, was die antiislamischen Demos in Dresden sind. Laut drei wenn auch eher impressionistischen als repräsentativen Studien ist der Durchschnitts-Pegida-Demonstrant 50 Jahre alt, männlich, gehört zur Mittelschicht und wählt AfD.
Wir haben es mit einer Angstbewegung zu tun, der sich die AfD als parlamentarischer Arm andient. Die wandelt sich nämlich gerade von einer neoliberalen Euro-Kritiker-Partei in eine ausländerfeindliche, rechtspopulistische Sammlungsbewegung. Das ist nicht die schweigende Mehrheit, sondern eine verstockte Minderheit: Deutsche mit Frustrationshintergrund.
Ob diese trübe Bewegung sich etabliert, hängt auch davon ab, wie klug demokratische Politik reagiert. Die Dämonisierung (alles Nazis) nutzt den Rechtspopulisten – es schweißt zusammen, was nicht unbedingt zusammengehört. Bagatellisieren (alles Verführte) verbietet sich sowieso. Nicht Reden oder Distanz, Reden und Distanz ist das brauchbarste Mittel.
25 Jan 2015
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