taz.de -- Kommentar Atomkraft in Schweden: Ausstieg mit Verzögerung
Vor 35 Jahren stimmte die Mehrheit der Schweden für ein Aus der Atomenergie. Ein Ende der Kernkraft kommt aber erst jetzt langsam in Sicht.
Eigentlich sollte das Zeitalter der Atomenergie in Schweden ja schon seit fünf Jahren der Vergangenheit angehören. 1980 hatte bei einem Referendum eine Mehrheit der Bevölkerung für ein Szenario gestimmt, bei dem das letzte AKW im Jahre 2010 vom Netz gehen sollte. Einen Reaktor länger als 25 bis 30 Jahre zu betreiben hielten selbst Atomkraftbefürworter für ein unvertretbar hohes Risiko, und 30 Jahre Zeit für eine Umstellung des Energiesystems erschien durchaus machbar.
Bekanntlich kam es anders. Die Energiebranche mit dem Staatskonzern Vattenfall an der Spitze bremste erfolgreich den Ausstieg. Zu sehr lockten die fetten Profite aus dem öffentlich subventionierten Atomstrom.
Mit dem Atomkraftwerk Barsebäck wurde in Schweden nur eines von vier AKWs stillgelegt, und trotz der Katastrophe von Fukushima wurden sogar Neubaupläne geschmiedet. Nicht nur ein Wechsel in der Regierung, sondern auch in der Vattenfall-Führung hat zumindest diesen Wahnsinn jetzt gestoppt. Offenbar bestimmen dort wieder Leute, die rechnen können.
Die rot-grüne Regierung, die in Stockholm als Minderheitsregierung nur begrenzten Handlungsspielraum hat, kann jetzt das Neubauthema schon mal abhaken. Und auch für ein Drittel der verbliebenen zehn Altreaktoren zeichnet sich aus ökonomischen Gründen das Ende ab: Teure Neuinvestitionen in ein kürzlich vorgeschriebenes unabhängiges Kühlsystem rechnen sich für sie nicht mehr. Mit weiteren finanziellen Steuerungsinstrumenten, die dem Atomstrom mehr seiner wirklichen Kosten aufbürden, lässt sich sicher auch die nächste Etappe einleiten.
Arbeitslos wird die Anti-AKW-Bewegung aber nicht: Teile der Atomlobby kalkulieren doch mittlerweile tatsächlich mit einer Reaktorlebensdauer von 60 bis 70 Jahren.
26 Jan 2015
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