taz.de -- Alexis Tsipras stellt sein Kabinett vor: Die Links-rechts-Regierung steht

Linke Ökonomen sind zuständig für Wirtschaft und Finanzen. Der Chef der Rechtspopulisten wird neuer Verteidigungsminister.
Bild: Alexis Tsipras (l.) mit seinem neuen Finanzminister Janis Varoufakis

ATHEN taz | Griechenlands neuer Ministerpräsident Alexis Tsipras hat am Montagnachmittag die Namen seiner Minister verkünden lassen: Das Finanzministerium übernimmt Janis Varoufakis. Der in Athen und in den USA lehrende Ökonom plädiert vehement für einen Schuldenschnitt und legt eine kritische Haltung zur deutschen Finanzpolitik an den Tag.

Laut dem britischen Guardian hat der 53-jährige Varoufakis die rigide Sparpolitik der Kreditgeber als „fiskalisches Waterboarding“ bezeichnet – ein Wortspiel, mit dem Syriza-Chef Alexis Tsipras in den vergangenen Wochen immer wieder für Wahlkampfstimmung sorgte.

Marxistisch orientierte Wirtschaftsexperten wie der bisherige Chefökonom der Linkspartei, Jannis Milios, bleiben außen vor. Das Wirtschaftsministerium geht an den Wirtschaftsprofessor Giorgos Stathakis, der selbst in der eigenen Partei gelegentlich als „linker Sozialdemokrat“ bezeichnet wird.

Ministerposten für den linken Flügel

Allerdings darf auch der linke Syriza-Flügel bei der Regierungsbildung nicht zu kurz kommen: Panagiotis Lafazanis, der lange Zeit eine Rückkehr zur Drachme als nationale Währung befürwortet hat und derzeit als Anführer der innerparteilichen Opposition gilt, übernimmt das „Ministerium für den wirtschaftlichen Wiederaufbau“, das auch für Umwelt und Energie zuständig ist. Damit könnte Lafazanis bei wichtigen Investitions- und Privatisierungsprojekten mitentscheiden oder zumindest ein Vetorecht bekommen.

Nikos Kotzias, ein Kenner und Kritiker Deutschlands, wird neuer Außenminister. Der Titel seines neuesten Buchs sagt eigentlich alles: „Griechenland, eine Schuldenkolonie. Europäisches Imperium und deutscher Vorsitz“. Der linke Denker hat unter anderem an der Universität Marburg gelehrt und galt einst als enger Vertrauter des ehemaligen Sozialisten und Regierungschefs Giorgos Papandreou.

Seine politische Laufbahn begann Kotzias in der orthodoxen Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE), wo er den Spitznamen „Suslow“ bekam – in Anspielung an einen früheren Chefideologen der sowjetischen Kommunisten.

Links-rechts-Polarisierung

Angesichts der kuriosen Koalitionsvereinbarung mit der rechtspopulistischen Partei Unabhängige Griechen (Anel) kommt Premier Tsipras nicht umhin, Anel-Chef Panos Kammenos das Verteidigungsressort anzuvertrauen. Vier weitere Anel-Politiker übernehmen Regierungsverantwortung als Vizeminister oder Staatssekretäre.

Eine Sonderrolle übernimmt Zoe Konstantopoulou, streitbare Juristin und Tochter eines ehemaligen Linkspolitikers: Als Präsidentin des griechischen Parlaments will sie dafür sorgen, dass der politische Dialog nicht aus den Fugen gerät. Das ist keine leichte Aufgabe angesichts der starken Links-rechts-Polarisierung und einer sich weiterhin im Aufwind befindlichen Neonazi-Partei.

27 Jan 2015

AUTOREN

Jannis Papadimitriou

TAGS

Griechenland
Alexis Tsipras
Syriza
ANEL
Alexis Tsipras
Antisemitismus
Troika
Alexis Tsipras
Syriza
Privatisierung
Griechenland
Unabhängige Griechen
Wahl

ARTIKEL ZUM THEMA

Griechische Parlamentspräsidentin: Das linke Gewissen des Chefs

Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou fordert Premier Tsipras heraus. Sie will die Wahlversprechen von Syriza einlösen.

Nonsensjournalismus zu Griechenland: Glauben reicht

Ein Zitat des griechischen Rechtspopulisten Kammenos dient als Beleg, dass Syriza mit Antisemiten koaliert. Doch was hat er eigentlich gesagt?

Griechenlands Finanzminister Varoufakis: Verhandeln über 300 Milliarden Euro

Er ist der zentrale Mann bei den Schuldengesprächen mit den Geberländern. Das Konzept von Finanzminster Jannis Varoufakis ist kein Geheimnis.

Neue Regierung in Griechenland: Tsipras' Plan für Athen

Wenige Tage nach dem Syriza-Wahlsieg ist das neue Kabinett zusammengetreten. Der Regierungschef nannte vier Eckpfeiler seiner Politik.

Kommentar Regierungsbildung: Hellas in Aufregung

Heute stellt sich die neue Links-rechts-Regierung in Griechenland vor. Mit weiteren Überraschungen muss gerechnet werden.

Neue Regierung in Griechenland: Piräus wird nicht privatisiert

Die neue Regierung in Griechenland will den Euro behalten, aber einige Bedingungen für das Hilfsprogramm kippen. Als Teil davon stoppte sie bereits eine Privatisierung.

Linke Reaktionen auf Griechenlandwahl: Schwierige Wahlverwandte

Die Linkspartei erlebt nach ihrem lauten Jubel über Tsipras’ Wahlsieg einen Katertag – und den Spott der Grünen.

Tsipras' rechte Verbündete: „Wir sind viele, wir sind Griechen“

Die rechtspopulistischen „Unabhängigen Griechen“ haben Tsipras mitgewählt. Sie fordern, Migranten auszuweisen, die sich illegal im Land aufhalten.

Heikle Partnerwahl: „Das käme hier nicht in die Tüte“

Auch wenn Alexis Tsipras jetzt mit Rechtspopulisten koaliert, ihre Solidarität mit Syriza braucht Die Linke nicht zu reuen – sagt ihr Landesvorstand Christoph Spehr.

Euphorie auf Athens Straßen: Tränen in den Augen

Am Tag nach der Wahl überwiegt bei den Anhängern des Siegers die Euphorie. Parteichef Alexis Tsipras werde sein Programm schon durchziehen.