taz.de -- Kolumne Generation Camper: Das älteste Gasthaus Deutschlands
„Zum Riesen“ in Miltenberg am Main gehört zur deutschen Gasthauskultur mit Fachwerk und Geschichte. Ein Plädoyer für den Weltkulturerbe-Status.
Mindestens 900 Jahre alt ist die Fürstenherberge „Zum Riesen“. Deutschlands ältestes Gasthaus steht in Miltenberg am Main. Idyllisch zwischen Odenwald und Spessart. Es beherbergte illustre Gäste, etwa die Kaiser Barbarossa und Karl den IV., Maria Theresia, aber auch Albrecht Dürer und Martin Luther. Auch Elvis Presley war hier.
Zu römischen Zeiten führte der Limes hier entlang. Später die Welthandelsroute Nürnberg–Frankfurt/Main. Sie kreuzte bei Miltenberg den Fluss. Heute gibt es den Mainradweg und einige Fernwander- und Pilgerwege. Eine gepflegte, gefällige Provinz, die Touristen zu schätzen wissen.
Beim „Riesen“ bleiben alle immer bewundernd stehen. Der alte Bau ist wirklich riesig. Und er ist wunderschön. Ein Renaissancebau aus dem 16. Jahrhundert hat die ursprüngliche Gotik ersetzt. Er läuft winkelig auf den historischen Marktplatz zu. Ebenerdig Sandstein, darüber zwei Stockwerke kunstvollstes Fachwerk, ein sehr hohes Dach. Und alles ist aufs Prachtvollste restauriert.
Und innen? Wir zögern hineinzugehen. Wir befürchten die Geschichtslastigkeit und tippen auf Plüsch und Hirschgeweih, eine Touristenfalle. Aber nichts davon. Im Gastraum erwartet uns ein gut besuchter, fast schon vergangener Prototyp für Wirtshauskultur, geräumig und bequem. Entlang holzvertäfelter Wände Bänke und lange Tische, eine Empore zum Sitzen, ein wertvoller alter Tresen.
Die gefällige Mischung aus alt und neu hat die örtliche Brauerei zu verantworten, selbst ein jahrhundertealter Traditionsbetrieb. Nur eine gerahmte Urkunde hängt an der Wand: Sie ist von Slowfood. Und sie verspricht uns beste regionale, fränkische Küche. Noch ein Wunsch offen? Aber ja doch!
Möge doch bitte jemand von der Unesco vorbeischauen, Abteilung Weltkulturerbe. Wir plädieren auf den Schutzstatus für das leibliche Wohl. Kirchen und Klöster gehören zum Welterbe. Warum nicht traditionelle Gasthauskultur? Diesem „Riesen“ gönnen wir gern noch einmal tausend Jahre.
1 Feb 2015
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