taz.de -- Völkermord in Srebrenica: UN-Tribunal urteilt hart

In letzter Instanz verurteilt ein UN-Tribunal Kriegsverbrecher zu langen Haftstrafen. An 8.000 Morden im Juli 1995 sollen sie mitschuldig sein.
Bild: Die Trauer der Hinterbliebenen schmerzt auch noch Jahrzehnte später – Gedenken im Jahr 2014.

DEN HAAG dpa | Fast 20 Jahre nach dem Völkermord im ostbosnischen Srebrenica sind zwei ehemalige ranghohe serbische Offiziere für das Massaker endgültig zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das UN-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien bestätigte am Freitag in Den Haag im Berufungsverfahren die Urteile der ersten Instanz. Drei weitere ehemalige Offiziere wurden zu langjährigen Haftstrafen von 13, 18 und 35 Jahren verurteilt.

Mit diesem Urteil ging der bisher umfangreichste Prozess zum Völkermord in Srebrenica nach fast neun Jahren zu Ende. Zum ersten Mal sprach das Gericht zwei ehemalige Kommandeure direkt für den Massenmord von rund 8.000 muslimischen Männern und Jungen im Juli 1995 schuldig.

Bosnisch-serbische Einheiten unter dem damaligen General Ratko Mladic hatten die UN-Schutzzone im Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina am 11. Juli überrannt. Die Gefangenen wurden unter den Augen der dort stationierten niederländischen UN-Soldaten abgeführt und anschließend in den umliegenden Wäldern ermordet. Der Völkermord von Srebrenica ist das schlimmste Kriegsverbrechen auf europäischem Boden nach dem Zweiten Weltkrieg.

Vujadin Popovic (57) und Ljubisa Beara (75), die dem Generalstab von Mladic angehörten, hätten den Massenmord mitgeplant und -organisiert, urteilten die Richter. Alle Angeklagten wurden wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gesprochen, wie Mord in zahlreichen Einzelfällen, gezielte Verfolgung von Bürgern und Vertreibung. Noch unklar ist, in welchem Land die Männer ihre Strafe verbüßen müssen. Zu Prozessbeginn hatten sie auf unschuldig plädiert.

Hunderte Zeugen

Das Gericht unter Vorsitz des Jamaikaners Patrick L. Robinson gab den Einsprüchen der Verteidigung und der Anklage gegen das Urteil der ersten Instanz nur in wenigen Punkten statt. In einem Fall wurde die Strafe um ein Jahr auf 18 Jahre Gefängnis reduziert.

Der Prozess war 2006 zunächst gegen sieben Angeklagte eröffnet worden. Einer der Männer starb, ein weiter verzichtete auf eine Berufung. In 425 Verhandlungstagen wurden fast 3.000 Beweisstücke geprüft und 329 Zeugen angehört.

Insgesamt hat das UN-Tribunal gegen 20 Personen Anklage wegen der Verbrechen von Srebrenica erhoben, darunter gegen Ex-Serbenführer Radovan Karadzic und den damaligen General Mladic. Deren Prozesse sind noch nicht abgeschlossen.

30 Jan 2015

TAGS

Völkermord
UN-Tribunal Ex-Jugoslawien
Srebrenica
Jugoslawien-Krieg
Radovan Karadžić
Urteil
Serbien
Geschichtsaufarbeitung
Kongo
Srebrenica
Srebrenica
UN-Kriegsverbrechertribunal
Serbien

ARTIKEL ZUM THEMA

Prozess gegen Ex-Serbenführer: 40 Jahre Haft für Karadžić

Er gilt als Hauptverantwortlicher des Massakers in Srebrenica: Radovan Karadžić. Das UN-Tribunal verurteilt ihn wegen Völkermordes.

20 Jahre nach Völkermord in Srebrenica: UN-Tribunal verurteilt Ex-General

Bei dem Massaker in Srebrenica nahm Zdravko Tolimir eine zentrale Rolle ein. Das UN-Tribunal verurteilte den heute 66-Jähren zu lebenslanger Haft.

Völkermord in Srebrenica: Serbien setzt mutmaßliche Täter fest

Kurz vor dem 20 Jahrestag haben serbische Behörden mehrere mutmaßliche Kriegsverbrecher festgenommen. Bisher war das undenkbar.

Kommentar Geschichtsstreit im Kosovo: Opfer zu Tätern gemacht

Selbst der Genozid in Srebrenica wird von Serben immer wieder angezweifelt. Das macht den interethnischen Dialog im Konsovo zunichte.

Blauhelme und Kriegsverbrechen: Wenn die Uniform sprechen könnte

Was empfindet ein UN-Soldat, der beim Morden zusehen muss? In Ruanda oder in Srebrenica? Unserer Autorin haben sich viele Soldaten anvertraut.

Urteil zum Völkermord von Srebrenica: Niederlande sind mitverantwortlich

1995 töteten serbische Einheiten in Srebrenica Tausende Menschen. Nun hat ein Gericht den niederländischen Staat für mitverantwortlich erklärt.

Genozid von Srebrenica: Gedenken ohne Politikerreden

Knapp 20 Jahre nach dem Genozid von Srebrenica haben drei Viertel der Opfer ein Begräbnis erhalten. Viele Serben interessiert das Gedenken wenig.

UN-Kriegsverbrechertribunal: Mladic, der Unschuldige

Seine Feinde nennen ihn „Schlächter des Balkans“. Seine Verteidiger erklären ihn für unschuldig. Die Anwälte von Ratko Mladic beginnen mit der Zeugenbefragung.

Berufungskammer des UN-Tribunals: Karadzic erneut belastet

Überraschung in Den Haag: Das UN-Tribunal für Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien hat die Klage gegen Radovan Karadzic wieder in Kraft gesetzt.