taz.de -- Schwarz-Grün in Hessen: CDU-Rechtsaußen entmachtet

Hans-Jürgen Irmer gibt nach der Veröffentlichung einer rechten Werbeanzeige seine Posten in Hessen auf. Die Grünen nehmen es knapp zur Kenntnis.
Bild: Die rechte Hälfte von Hans-Jürgen Irmer im Landtag in Wiesbaden. Nun verschwindet er ganz

BERLIN taz | Die schwarz-grüne Koalition in Hessen hat ein Problem weniger: Der CDU-Rechtsausleger Hans-Jürgen Irmer trat am Wochenende von seinen Posten als Vize-Vorsitzender der Landtagsfraktion und bildungspolitischer Sprecher zurück. Er wolle das Klima in der Fraktion nicht weiter belasten, teilte der 62-Jährige mit.

Auslöser für Irmers Entmachtung war die Februarausgabe des Anzeigenblatts Wetzlar Kurier. Das rechtslastige Gratisheft gibt der CDU-Mann seit Jahren selbst heraus und verbreitet es in seinem Wahlkreis, der hessischen Lahn-Dill-Region.

Für Ärger in der schwarz-grünen Koalition sorgte nicht nur ein von Irmer verfasster Aufmachertext im Wetzlar Kurier zu islamistischem Terror und Christenverfolgung, sondern vor allem eine abgedruckte Werbeanzeige des Rechtsaußen-Vereins „Die Deutschen Konservativen e. V.“ Darin wirbt die ultrarechte Gruppierung für die Gratisbroschüre „Religion des Friedens?“ mit „204 bitterbösen Koran-Versen“. Langjähriger Vorsitzender des Vereins „Die Deutschen Konservativen e. V.“ ist laut dessen Internetauftritt der frühere Bild-Journalist und Politiker Joachim Siegerist, der bereits wegen Volksverhetzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde.

Hans-Jürgen Irmer stand in der schwarz-grünen Koalition bereits unter Bewährungsauflagen, seit er im Herbst in einem Interview Homosexualität als „nicht normal“ bezeichnet hatte. Irmer war nach der Landtagswahl zum Fraktionsvize aufgestiegen – und eine permanente Belastung für die Koalition mit den Grünen.

Mit seiner Entmachtung kommt die CDU den Grünen nun entgegen. Sie nahmen den Schritt in einer Pressemitteilung nur knapp „zur Kenntnis“. SPD-Fraktionschef Thorsten Schäfer-Gümbel hingegen sprach von einer „richtig guten Nachricht“.

2 Feb 2015

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Astrid Geisler

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