taz.de -- Kommentar Klausurtagung SPD: Politik für die Mitte

Die Einführung des Mindestlohns brachte kaum Wählerstimmen; nun will die SPD die arbeitende Mitte ansprechen. Die Ideen sind unausgereift.
Bild: SPD-Chef Sigmar Gabriel beim Ziel-Klientel, einem Unternehmen für Tunnelbohrungen.

Die „arbeitende Mitte“ soll die SPD zurück zum Erfolg führen. Auf ihrer Klausur in Nauen beschloss die Parteispitze, künftig Politik für Berufstätige mittleren Alters zu machen. Teilzeitmodelle für Arbeitnehmer mit Kindern etwa schweben den Sozialdemokraten vor, finanziert durch Steuergeld. Eigentlich eine gute Idee.

Irgendwie muss die Partei schließlich aus ihrem Umfragetief heraus. Den Mindestlohn einzuführen war richtig, das sieht die Mehrheit der Wähler so. Aber nur ein Bruchteil profitiert von der neuen Lohnuntergrenze. Kein Wunder also, dass das Gesetz der SPD kaum neue Stimmen bringt.

Es müssen also neue Ideen her, solche, von denen auch Normalverdiener profitieren. Sie sollen sich durch die Phrase der arbeitenden Mitte angesprochen fühlen. Um diese Gruppe zu bedienen, muss die Partei nicht mal von ihrem eigentlichen Kern abrücken: Den durchschnittlichen Arbeitnehmer weniger arbeiten zu lassen, ihm dafür mehr Zeit mit den Kindern zu geben, das Berufsleben also humaner zu gestalten, ist schließlich klassische Sozialdemokratie.

Erst mal muss die SPD aber tatsächlich liefern. Ein „Themenlabor“ will sie für ihren Vorschlag einrichten, hieß es in Nauen. Solche Labore unterhält das Willy-Brandt-Haus schon zu diversen Themen, seit Monaten, bisher aber mit wenig greifbaren Ergebnissen.

Und so schön die Idee der Familienteilzeit klingt: Auf eine Finanzierung muss sich die SPD erst einigen. Eine Arbeitszeitverkürzung für Normalverdiener auf Kosten der Geringverdiener wäre nicht sonderlich sozialdemokratisch. Eine Vermögensteuer zur Finanzierung neuer Projekte hat aber der Parteichef persönlich für tot erklärt. Bevor die SPD mit ihrer Idee in den Wahlkampf ziehen kann, hat ihr neues Labor noch einiges zu tun.

9 Feb 2015

AUTOREN

Tobias Schulze

TAGS

Steuern
Arbeitnehmer
Mindestlohn
Sigmar Gabriel
SPD
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Saudi-Arabien
Hamburger Senat
Schwerpunkt Rassismus

ARTIKEL ZUM THEMA

SPD-Klausur auf dem Landgut: Hilfe für die „arbeitende Mitte“

Ein Nein zu Waffen für die Ukraine und ein Teilzeitmodell für Familien: Damit will die SPD aus dem Umfragetief. Doch eine Affäre könnte das vermasseln.

Deutscher Rüstungsexport rückläufig: Ein bisschen weniger „Schande“

Die Lieferung von Rüstungsgütern ging 2014 um 22 Prozent zurück. Doch der Anteil der Empfängerstaaten außerhalb von EU und NATO ist unvermindert hoch.

SPD lässt Flüchtlinge hängen: Humanisierung ausgeblieben

Beim Umgang mit Flüchtlingen funktioniert kaum mehr als die Notunterbringung. Das Handeln des SPD-Senats prägt zu wenig politischer Mut.

Sigmar Gabriel verteidigt Pegida: Das Recht auf Dummheit

Pegida gehöre „ganz offensichtlich“ zu Deutschland, verkündet der SPD-Chef. Berliner Politiker und Journalisten hätten ein gestörtes Verhältnis zur Realität.