taz.de -- Energieprobleme bei der Nasa: Mit Plutonium ins Weltall

Die Nasa besitzt noch 35 Kilogramm Plutonium-238, um ihre Weltraummissionen in Schwung zu halten. Damit kommt sie nicht weit.
Bild: Die Nasa-Marssonde mit dem Landrover Curiosity an Bord (grafische Darstellung)

Plutonium-238 ist ein radioaktives Isotop. Für die Nasa, die das Isotop zur Energieversorgung von Raumsonden nutzt, kein Problem: Hier sei der endgültige Bestimmungsort des Isotops der Weltraum, so die Argumentation. Nur mit 238Pu könnten Raumschiffe zurzeit zum äußeren Rand unseres Sonnensystems fliegen, wo die Strahlen der Sonne zu schwach für Solarkollektoren sind, und wie in der Vergangenheit soll die Energie des radioaktiven Zerfalls auch künftige Weltraummissionen antreiben.

Auf Flügen bis zu den inneren Planeten unseres Sonnensystems liefern Solarzellen die notwendige Energie. Für Raumsonden mit kurzer Lebensdauer kann man auch Batterien einsetzen. Raumsonden für den Flug zu den äußeren Planeten verwenden jedoch zumeist Isotopenbatterien, da mit wachsendem Abstand von der Sonne Solarzellen immer ineffizienter werden.

Die Nasa-Mitarbeiter würden sich erleichtert zurücklehnen, wenn die Nasa genug von 238Pu besäße. Da es das radioaktive Isotop nicht in der Natur gibt, muss es in Kernreaktoren hergestellt werden. Aber die Produktion in den USA wurde 1988 vom US- Energieministerium (Department of Energy, DOE) eingestellt – dies gehörte mit zum Ende des Kalten Kriegs. Vier Jahre später kauften die USA kleine Mengen des Isotops der russischen Regierung ab. Doch damit ist mittlerweile auch Schluss.

Als Ergebnis verfügt die Nasa zum jetzigen Zeitpunkt nur noch über 35 Kilogramm Plutonium-238 – eine kleine Menge, die nicht ausreicht für langjährige Missionen zu den Monden des Jupiters oder darüber hinaus. Der zurzeit favorisierte „multimissionsfähige thermoelektrische Radiosotopengenerator“ (MMRTG), der sich auch an Bord des Marssonde „Curiosity“ befindet, verfügt über 4,8 Kilogramm chemisch stabiles Plutoniumdioxid. Er kann 2.000 Watt in Form von Wärme und 125 Watt als Strom produzieren.

Mit einer Halbwertszeit von 87,7 Jahren kann 238Pu jahrzehntelang Energie produzieren. Aber die Menge lässt mit der Zeit nach, und langsam wird die Energie zuneige gehen. So konnte etwa ein bei der Jupitermission „Pioneer 10“ eingesetzter thermoelektrischer Radioisotopengenerator konnte 31 Jahre lang ausreichend Energie liefern, um den Kontakt der Sonde zur Erde aufrechtzuerhalten.

Im Jahr 2013 begann die Nasa, dem Energieministerium 50 Millionen US-Dollar jährlich zu zahlen, um die mittlerweile ins Stocken geratene 238Pu -Produktion wieder zu aktivieren. Der neue Vertrag soll dafür sorgen, die Nasa mit 1,1 Kilogramm 238Pu jährlich zu versorgen.

Aus Neptunium wird Plutonium

Der Plan: Die neue 238Pu -Produktion beginnt im Idaho National Laboratory. Hier wird das Isotop Neptunium-237 chemisch aus den ausgebrannten Brennelementen des Kernreaktors extrahiert. Anschließend transportiert man Neptunium-237 nach Oak Ridge, wo es als Erstes in Kügelchen, sogenannte Pellets, von der Größe eines Radiergummis gepresst wird. Die Pellets schiebt man als Nächstes in lange Aluminiumrohre und befördert sie zum Hochflussreaktor von Oak Ridge, wo Neutronen aus dem Reaktorkern das Neptunium-237 bombardieren.

Den Reaktorkern umgibt ein Zylinder aus Beryllium, 2,4 Meter breit und mit Dutzenden von Öffnungen ausgestattet. Vor einem Reaktorlauf schiebt man in jede der Öffnungen ein Aluminiumrohr, sodass das in ihm befindliche Neptunium-237 dem Neutronenbeschuss aus dem Reaktorkern ausgesetzt werden kann. Nachdem die Rohre platziert sind, taucht man den Reaktorkern in ein Wasserbecken und schaltet den Reaktor für 25 Tage ein. Während dieser Zeit bombardieren so viele Neutronen das Neptunium-237, dass 10 bis 12 Prozent seiner Atomkerne eines absorbieren. Das Ergebnis ist Neptunium-238, das rasch zu 238Pu zerfällt.

Sobald dieser Prozess abgeschlossen ist, transportiert man die Rohre zu den sogenannten heißen Zellen des Labors. Hier werden mit Salpetersäure die bestrahlten Kügelchen aufgelöst, sodass das Plutonium extrahiert werden kann. Das Plutonium wird in einem Pulveroxid konzentriert, das in geschützten Zylindern gelagert wird. Ein gegen Strahlung abgeschirmter Lkw befördert die Zylinder zum Los Alamos National Laboratory in New Mexico, wo das Oxid in Pellets gepresst wird. Hier gibt es jedoch ein noch nicht gelöstes Problem: Vorher müsste das Labor seine alten, stockenden Pressmaschinen durch neue ersetzen.

Weite Transportwege

Dies sind jedoch nicht alle Hürden, die zu überwunden sind. So ist im Reaktor von Oak Ridge nicht genug Platz, um alle 237Np-Teilchen umzuwandeln. Sobald die Neptunium-Pellets in Oak Ridge gepresst worden sind, werden daher einige von ihnen wieder nach Idaho zurückversandt werden müssen, um im Reaktor dort bestrahlt zu werden. Idaho wird auch einige der fertigen Plutonium-Pellets speichern müssen, bis sie für einen MMRTG benötigt werden.

Es sind weite Strecken, auf denen gefährliches radioaktives Material hin und her befördert wird: Zwischen Idaho und Oak Ridge liegen über 2.000 Meilen, zwischen Oak Ridge und Los Alamos 1.500 Meilen.

Die Nasa ist auch auf der Suche nach anderen Lösungen für ihr Energieproblem. Um mehr Antriebskraft aus dem vorhandenen Plutonium zu gewinnen, will sie neue Formen von Thermoelementen bauen.

Thermoelemente wandeln die beim Plutoniumzerfall entstehende Wärme in elektrische Energie um. Indem sie das bisher in den Thermoelementen eingesetzte bleihaltige Material durch Kobalt-Antimon ersetzt, hofft die Nasa, über ein Viertel mehr elektrische Energie zu gewinnen.

Verbesserte Energienutzung

Bis zum Jahr 2013 arbeitete die Nasa an der Entwicklung von Stirling-Maschinen, die viermal so viel Energie aus Plutonium gewinnen könnten wie ein MMRTG. Stirling-Maschinen funktionieren wie High-Tech-Dampfmaschinen. Die beim Zerfall von Plutonium erzeugte Wärme führt zur Ausdehnung von Heliumgas, das wiederum eine Reihe von Kolben antreibt und damit letztendlich die Raumsonde. Zwar musste die Nasa im November 2013 das Programm aus Kostengründen offiziell beenden, doch noch immer ist ein Forschungsprojekt in Gang.

In Cleveland testen Wissenschaftler zwölf unterschiedlich ausgestattete Stirling-Maschinen. Ziel ist zu beweisen, dass die Kolben zuverlässig über die langen Zeiträume funktionieren, in denen sich ein Raumschiff zu entfernten Zielen im Weltraum befindet. Inzwischen laufen die Maschinen über zehn Jahre lang.

Doch selbst wenn all diese Anstrengungen, mehr 238Pu herzustellen und mehr Energie aus ihm zu gewinnen, erfolgreich sind, könnte nicht einmal dies ausreichen, um die unendlichen Weiten des Weltraums zu erforschen. Bei der Nasa denkt man darüber nach, Astronauten zu einem Asteroiden oder noch weiter zu schicken. Während eine Mission zu einem Planeten 300 bis 900 Watt Leistung benötigt, würde das große Raumschiff mit den Astronauten bei seinem Ausflug zum Asteroiden mehrere Dutzend Kilowatt verschlingen. So viel Energie werden kleine Plutonium-238-Pellets niemals liefern können.

13 Feb 2015

AUTOREN

Borchard-Tuch

TAGS

Radioaktiv
Plutonium
Raumsonde
Weltraum
Raumfahrt
Mars
Astronomie
USA

ARTIKEL ZUM THEMA

US-Raumfahrtpionier: Trauer um John Glenn

Der erste US-Astronaut in der Erdumlaufbahn, John Glenn, ist im Alter von 95 Jahren gestorben. Nasa, Politiker und Promintente zollen ihm Anerkennung.

Namensgeber der Mars-Raumsonde: Der verrückte Kanalseher

Giovanni Schiaparelli entdeckte als Erster die Canyonlandschaften des roten Planeten. Der Astronom stiftete damit Verwirrung.

Erster Pluto-Besuch einer irdischen Sonde: „Wir haben es geschafft“

Nach mehr als neun Jahren und fünf Milliarden Kilometern erreicht die „New Horizons“  den Zwergplaneten Pluto. Die ForscherInnen sind außer sich.

Ehemalige US-Plutoniumanlage: Lecks in Atommüllbehältern

Im US-Bundesstaat Washington fließt in einer alten Plutoniumanlage nuklearer Abfall aus unterirdischen Tanks. Gefahren für die Gesundheit sollen nicht bestehen.

Reise des „Curiosity“ zum Mars: Ist da jemand zu Hause?

Der Homo sapiens sucht auf fremden Planeten nach Zeichen von Leben. Dabei stellt sich eine nicht unwichtige Frage: Was ist überhaupt Leben?

Forschen auf dem Mars: „Das ganze Sonnensystem besiedeln“

Ein von ihm mitentwickeltes Messinstrument soll an Bord der „Curiosity“ das Terrain für bemannte Expeditionen bereiten, sagt Günther Reitz vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

Roboter „Curiosity“ angekommen: Aliens auf dem Mars gelandet!

Fast zur errechneten Zeit ist der Roboter „Curiosity“ sicher auf dem Mars gelandet. Er soll auf dem Planeten zwei Jahre lang nach Hinweisen für Wasser suchen. Und Barack Obama ist total stolz.