taz.de -- Seiten entfernen auf Facebook: Die Reste der HoGeSa
Von HoGeSa ist auf Facebook nur wenig übrig. Die meisten Seiten wurden gelöscht. Eine Seltenheit – denn zu oft lässt das Netzwerk hetzerische Inhalte stehen.
Wenn eine Seite „nicht auf Facebook sein sollte“, kann man sie dem sozialen Netzwerk [1][melden]. Auf Facebook mobilisieren Aktivisten zum kollektiven Anzeigen von Seiten der Hooligans gegen Salafisten (HoGeSa) und erreichten so, dass fast sämtliche Seiten und Veranstaltungen aus dem sozialen Netzwerk entfernt wurden. Doch auch die Rechten schafften es, genug Klicks zusammenzubekommen, um die gegnerische „No HogeSa“ auf Facebook verschwinden zu lassen.
Zum Löschen ist also vor allem nötig, eine hohe Anzahl an Meldungen zu generieren. Denn von sich aus sieht Facebook selten Anlass, Seiten zu entfernen, auch wenn diese inhaltlich den „Gemeinschaftsstandards“ des sozialen Netzwerks widersprechen.
Anders beim Kampf gegen den Rechten und Linken um HoGeSa auf Facebook: Fast stündlich wurden nach der Demo in Köln neue HoGeSa-Seiten in den verschiedensten Rechtschreibvariationen erstellt – und wieder gelöscht. Nach dem Meldungskampf ist momentan noch eine Seite namens „Ho Ge Sa“ übrig, die nicht über die öffentliche Suche zu finden ist und deshalb auch nur 192 „Gefällt mir“ hat.
Die Veranstaltung für die „Ho.Ge.Sa“-Demo in Hannover wurde von „Heimatliebe ist kein Verbrechen“ erstellt, deren erste Facebook-Seite ebenfalls schon gelöscht wurde. „Heimatliebe ist kein Verbrechen“ baut sich nun eine neue Fanpage auf. Daneben gibt es noch zwei auf Facebook aktive Fahrgemeinschaftsgruppen – öffentlich und nicht öffentlicht. Dort regten sich die Rechten über den Bahnstreik während der Demo in Köln auf und wüten nun gegen antifaschistische Seiten.
Das große Jammern
Um auf ihre neue Seiten hinzuweisen oder sich über „Zensur“ zu beschweren, weichen einige Rechte auf alternative Netzwerke aus. Nazis gibt es überall: bei Youtube, auf Tumblr und im russischen VKontakte – „Dort werden öfter mal Videos veröffenlicht, die auf Facebook nicht so erwünscht sind“, schreibt der User „Mut zur Wahrheit“ auf Facebook. Bei Twitter klingt das große Jammern so:
@HoGeSa_Info: „Facebook sperre Beitraege geloescht !! #JetztErstRecht #Facebook #HoGeSa #WutBürger #Meinungsfreiheit #Grundgesetz“
@Fresse_Presse: „Skandal Facebook löscht Einladung zur Petition 'Sofortige Abschiebung ausländischer Salafisten / Islamisten'“
@Einzelfallbearb: „WARNUNG! NICHT AUF FACEBOOK POSTEN! #Petition Sofortige Abschiebung ausländischer Salafisten / Islamisten“
@AllahPoperzia: „Marokkanisches Unternehmen übernimmt gemeldete Inhalte bei Facebook, deswegen wird auch keine Hass-Islam-Hetze und Kopf-ab-Bilder gelöscht.“
Auch bei Twitter kann man [2][so einiges melden], was eventuell gegen die Richtlinien des Kurznachrichtendienstes verstößt: Spam, pornografische Bilder, Kreditkarteninformationen, private Telefonnummern, gefälschte Waren, gegen das Urheberrecht verstoßende Fotos. Volksverhetzende und zu Straftaten aufrufende Tweets gehen jedoch durch. Und verbotene Symbole sowieso.
Zwar kann man diese anzeigen, gelöscht werden diese jedoch nicht. Wenn überhaupt, werden sie nur dem spezifischen Land „vorenthalten“, [3][wie Twitter es nennt]. Mit einer ausländischen IP-Adresse bleiben Tweets und Accounts jedoch weiterhin sichtbar.
„Facebook, Instagram und Twitter wenden sich alle an den deutschen Markt, deshalb ist deutsches Recht gegenüber den Internetkonzernen in der Regel anwendbar“, sagt Rechtsanwältin Nina Diercks, die den [4][Social Media Recht Blog] betreibt. Auch das deutsche Datenschutzrecht sei anwendbar, wenn die Konzerne eine Niederlassung in Deutschland haben.
Beim Hakenkreuzen sieht es dagegen anders aus: Diese fallen als verbotenes Symbol und Volksverhetzung unters Strafgesetzbuch – und dieses sei personenbezogen, sagt Diercks. Die Nutzer verwirkliche das Hakenkreuz, nicht das Unternehmen. „Insoweit wäre eine Bestrafung des Unternehmens, dessen Kunden die Straftaten begehen, ja auch nicht wirklich sachgerecht“.
Oft kein Richtlinienverstoß
So wendet das amerikanische Unternehmen Facebook vor allem seine eigenen Moralvorstellungen an. Dashalb werden pornografische Inhalte zeitnah gelöscht, gewaltverherrlichende Videos dagegen bleiben in der Timeline. Auch die Seite „Steinbruch statt Asylheim“ verstieß nicht gegen Facebooks Standards: „Danke, dass du dir die Zeit nimmst, etwas zu melden, was eventuell gegen unsere Gemeinschaftsstandards verstößt“, antwortet Facebook auf die Meldungen wegen hetzerischen Posts gegen Flüchtlinge. Einen Grund zur Löschung sah Facebook jedoch nicht.
Inzwischen haben die Betreiber der Seite diese selbst heruntergenommen. Bis dahin stellte Facebook jedoch keinen Richtlinienverstoß fest: „Wir haben die von dir wegen Hassbotschaften oder -symbole gemeldete Seite geprüft und festgestellt, dass sie nicht gegen unsere Gemeinschaftsstandards verstößt“.
Die „Gemeinschaftsstandards“ von Facebook betonen zwar, dass es verboten sei, Personen oder Gruppen „aufgrund ihrer Rasse, Volkszugehörigkeit, nationalen Herkunft, Religion, sexuellen Orientierung, Behinderung, ihres Gesundheitszustands oder Geschlechts anzugreifen“, doch der Spielraum ist groß, denn: „Facebook erlaubt keine Hassbotschaften, unterscheidet allerdings zwischen ernsthaften und humorvollen Botschaften“, heißt es weiter.
Doch wie humorvoll ist ein Satz wie „Nach Deutschland billigt jetzt auch Österreich Kindesvergewaltigungen in orientalischen Migrantenfamilien“? Der findet sich auf der Seite „Deutschland gegen Kindesmissbrauch“ mit über 41.000 Likes.
4 Nov 2014
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Mitte Januar verbreitete sich ein Foto von einem per Zettel ausgetragenen Nachbarschaftszoff. Jetzt meldet sich der Urheber und mahnt die Blogger ab.
Moderator Jan Böhmermann wird von einem Fotografen abgemahnt, weil er dessen Foto twittert. Statt sich zu entschuldigen, hetzt er gegen ihn.
Zum Monatsende ändert Facebook seine AGBs. Damit wird die Erhebung von Daten vereinfacht. Die Neuerungen sind nun Thema im Bundestag.
Wer beleidigt, kann gemeldet werden. Twitter will das vereinfachen und die User schützen. Die Neuerungen – erklärt am Beispiel von rechter Hetze.
Der Pirat Daniel Schwerd schlug vor, Nazis als Judenschweine zu beschimpfen. Mies. Eine Anleitung zum diskriminierungsfreien Beleidigen.
Laut Medienbericht will das US-Unternehmen eine eigene Karriere-Plattform aufbauen. Die bisherigen Anbieter dürften damit einen neuen Konkurrenten bekommen.
Das Verbot der HoGeSa-Demo in Hannover wurde gekippt. Das ist gut so. Trotzdem muss der Aufmarsch verhindert werden – nur mit anderen Mitteln.
Wenn sich Neonazis in Fußballstadien breit machen, ist das Teil des Sport. Vereins- und Fanvertreter hingegen meinen, das sei ein gesellschaftliches Problem.
Die „Hooligans gegen Salafisten“ wollen statt in Hamburg (und Berlin) nun offenbar in Hannover aufmarschieren. Polizei bestätigt die Demo-Anmeldung.
Medien, Politik, Fußballfans – alle zeigten sich vom Hool-Aufmarsch überrascht. Jetzt ist besonders die antifaschistische Ultraszene gefordert.
Die angekündigte Demonstration „gegen Salafismus“ in Hamburg wird nicht stattfinden. Die Veranstalter fürchten mögliche Gegenwehr.